: Von künstlerischer und profaner Selbstständigkeit
Wie KunststudentInnen an der Bremer Hochschule für Künste (HfK) in „Professionalisierungs-Seminaren“ lernen, sich zu präsentieren
Der frühere Rektor der Bremer Hochschule für Künste (HfK), Jürgen Waller, machte aus der Not einst eine Tugend. „Nur wer schon mal unter einer Brücke geschlafen hat, kann ein richtiger Künstler sein“, lautete sein Diktum. Inzwischen müht sich die HfK nach Kräften, dem Klischee vom armen Künstler entgegenzuwirken. Seit 2000 unterhält sie einen eigenen Fachbereich namens „Professionalisierung“. Und viele der Studierenden nehmen das Angebot, das aus Workshops, Seminaren und Einzelgesprächen besteht, schon in den ersten Semestern wahr.
Auf dem Lehrplan stehen dabei zunächst Grundlagen des Projektmanagements oder der Pressearbeit. In einem Interviewtraining erfahren die StudentInnen etwa, wie sie über ihre künstlerische Arbeit sprechen können, ohne intime Details aus ihrem Privatleben preiszugeben. Wer Kunst verkaufen will, muss Kunst beschreiben können, weiß Bettina Pelz, die seit 2004 im Fachbereich „Professionalisierung“ arbeitet. Der „Versprachlichung der künstlerischen Arbeit“ komme daher eine große Bedeutung zu – sei es beim Verfassen von Presse- und Ausstellungstexten oder bei der Gestaltung der Visitenkarte.
Pelz bringt den Studierenden bei, ihre eigene „Autonomie auszuhalten“. Sie meint damit, eine Originalität, ein eigenes künstlerisches Profil auszubilden und daran festzuhalten – auch wenn diese eigene Form der Kunst nicht auf sonderlich großen Anklang stoßen sollte.
Künstlerische Selbstständigkeit ist allerdings nicht ohne profane Selbstständigkeit zu haben. In ihren Seminaren erklärt Pelz den Studierenden daher auch, wie man Steuererklärungen schreibt. „Wenn Sie zu einem Steuerberater gehen, weil Sie nach dem Studium freiberuflich arbeiten, müssen Sie erst mal dessen Begriffe kennen, um überhaupt Fragen stellen zu können“, sagt sie. Sponsoring und die Mittelakquise, etwa für die erste eigene Ausstellung, sind weitere Themen.
Den künstlerischen Nachwuchs plagen Fragen wie: „Wo kann man Ausstellungen machen?“ oder „Brauche ich eine Haftpflichtversicherung, wenn einem Besucher in der Fabrikhalle meine Skulptur auf den Fuß fällt?“. Pelz versucht, den Schritt raus aus der Uni schon einmal als Trockenübung zu proben.
Erstes Ziel dabei ist, Schwellenängste abzubauen: „Erst als ich mich mit dem Arbeitsmarkt für Künstler befasst habe, habe ich gemerkt, dass der gar nicht so unübersichtlich ist, wie ich dachte“, berichtet eine Studentin. Ihr Tipp: „Man sollte versuchen, sich schon vor Abschluss des Studiums zu positionieren.“
Für Studierende, die das nicht schaffen, gibt es die Möglichkeit, auch nach dem Studium noch an kompakten „Professionalisierungs-Workshops“ teilzunehmen. Auch jene, die noch studieren, könnten davon profitieren, sagt Pelz, da sie so Einblicke in die Erfahrungen von AbsolventInnen bekommen. Die Seminare fördern zudem den Dialog der Studierenden untereinander.
Eine Studentin ist durch das „Professionalisierungs-Seminar“ auf die Idee gekommen, eine Liste möglicher Stipendien auf einer Internetseite vorzustellen. So können sich andere den sinnlosen Bewerbungsmarathon ersparen, den sie selbst erlebt hat. Nina Kim Leonhardt