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Archiv-Artikel

Nato sucht eine Strategie für Afghanistan

Auf der Sitzung des Nato-Rates in Brüssel ergeht erneut die Forderung an Deutschland, Tornados nach Afghanistan zu schicken. USA und andere Nato-Partner wollen ihre Truppen aufstocken. Deutschland verspricht Ausbau der Hilfe im Norden

VON ANETT KELLER

Beim gestrigen Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel hat die Allianz die Forderung nach deutschen Tornados für den Süden Afghanistans bekräftigt. „Wir brauchen Aufklärungsflugzeuge für Afghanistan“, sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Deshalb würde die Nato „eine deutsche Entscheidung zur Bereitstellung von Recce-Tornados sehr begrüßen“. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ließ sich hingegen keine klare Antwort entlocken. Man werde die Anfrage in Kabinett und Bundestag rechtzeitig beantworten, so der SPD-Politiker.

Indes bestehen kaum Zweifel, dass Deutschland der Anfrage nachgeben wird – schon um den Druck auf die Entsendung von Bodentruppen in andere Regionen als den relativ sicheren Norden zu verringern. Das deutsche Kontingent beträgt derzeit knapp 3.000 Soldaten.

Die größten Truppensteller für die insgesamt 33.000 Mann starke Internationale Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) sind die USA, Großbritannien, Kanada und die Niederlande. Ihre Truppen sind vor allem im Süden und Südosten eingesetzt, wo sie wegen der heftigen Kämpfe die größten Verluste erleiden.

Nachdem die Nato-Truppen sich im letzten Jahr so viel Gegengewalt gegenübersahen wie noch nie seit dem Sturz der Taliban im November 2001, überdenkt das Bündnis seine Strategie. Doch die Antworten fielen auch gestern in Brüssel erwartungsgemäß verschieden aus. US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte zwar mehr Engagement für Wiederaufbau und Entwicklung. Gleichzeitig betonte sie jedoch den Bedarf an mehr Soldaten, „die zum Kämpfen bereit sind“.

Drei Viertel des Milliardenpaketes, das Rice in Brüssel für Afghanistan versprach, sind für den Ausbau der afghanischen Polizei und Armee vorgesehen. Auch die eigene Militärpräsenz am Hindukusch will Washington erhöhen. Die Nato plant eine Frühjahrsoffensive, um der erwarteten Intensivierung der Angriffe seitens der Taliban zuvorzukommen. Ein Nato-Sprecher sagte, auch weitere Staaten hätten zusätzliche Soldaten und Ausgaben angekündigt.

Steinmeier und de Hoop Scheffer warben hingegen dafür, nicht nur militärisch um einen Erfolg in Afghanistan zu kämpfen. Bereits auf ihrem Gipfel in Riga Ende November hatte die Nato eingeräumt, dass der Krieg in Afghanistan militärisch nicht zu gewinnen sei. Wichtig, so Steinmeier und de Hoop Scheffer, sei ein umfassender Ansatz, der auch Entwicklungshilfe betone. „Wir wissen alle sehr genau, dass eine Stabilisierung allein mit militärischer Präsenz nicht hergestellt werden kann“, sagte Steinmeier. Er kündigte an, die Aufbauarbeit im Norden auszuweiten. Die Arbeit der deutschen Wiederaufbauteams soll mit Außenstellen ergänzt werden. Damit sollten breitere Teile der Bevölkerung erreicht werden.

Zu Beginn des gestrigen Treffens hatte Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer betont, dass eine gemeinsame Strategie das Gebot der Stunde sei. Von der sind die Nato-Partner auch nach dem gestrigem Tag weit entfernt. Eines von vielen Beispielen ist die Bekämpfung der Opiumproduktion. Während die USA Pläne für eine großflächige Sprühkampagne schmieden, verweisen europäische Nato-Verbündete auf die langfristigen Folgen. Was bleibe, sei das Problem des Ersatzes, so Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy: „Man muss den Bauern etwas anderes geben.“

Nächste Woche dürften derartige Diskussionen in die nächste Runde gehen: Über die weitere Zusammenarbeit beim zivilen Wiederaufbau beraten in Berlin die Geberländer und Vertreter der afghanischen Regierung.