: Haftbefehl gegen Julian Assange bleibt bestehen
WIKILEAKS Assanges schwedische Anwälte kündigen Berufung an und sagen nichts zu DNA-Proben
STOCKHOLM taz | Richterin Lena Egelin hatte vorsichtshalber einen Dolmetscher geladen. Für den Fall, dass die Hauptperson doch noch selbst zum Haftprüfungstermin in Stockholm kommen würde. Doch Julian Assange verließ auch am Mittwoch nicht sein vor zwei Jahren selbstgewähltes Exil, die Botschaft Ecuadors in London. Sie wird nun wohl noch länger sein Aufenthaltsort bleiben. Denn nach mehrstündiger Verhandlung verkündete die Amtsrichterin am Mittwoch um 18 Uhr, dass der von Assanges Anwälten gestellte Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gegen den Wikileaks-Gründer abgelehnt wird.
Dass der Haftbefehl auch nach dreieinhalb Jahren – er war am 18. November 2010 in Abwesenheit Assanges erlassen worden – weiter gilt, wurde mit Fluchtgefahr begründet. Das Gericht folgte damit der Staatsanwaltschaft. Diese hält eine persönliche Anhörung Assanges zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen – Vergewaltigung in einem und sexuelle Nötigung in zwei Fällen – für unerlässlich, um das Ermittlungsverfahren abschließen zu können.
Das Verhör könne laut Gericht nur in Schweden erfolgen, weil man in Ecuadors Londoner Botschaft kein Recht habe, gegen Assanges Willen DNA-Proben zu nehmen. Diese seien nötig, um sie mit im Ermittlungsverfahren gesammeltem DNA-Material abgleichen zu können. Da Assange entsprechenden Vorladungen nicht gefolgt sei, hätten der Haftbefehl und der von der britischen Justiz wegen Assanges Aufenthalts in London vollstreckte europäische Haftbefehl erlassen werden müssen. Daran habe sich bis heute nichts geändert.
Assanges Anwälte erklärten demgegenüber, ein so lange bestehender Haftbefehl, der schon wegen des von ihm in Ecuador beantragten politischen Asyls nicht vollstreckt werden könne, verletze schwedisches Recht und internationale Konventionen. Die Weigerung Assange in London zu verhören, habe zum Stillstand des Verfahrens geführt. Die Anwälte gingen jedoch nicht auf die Frage der Entnahme von DNA-Proben ein. Sie warfen vielmehr der Staatsanwaltschaft vor, den Haftbefehl nur aufrechterhalten zu wollen, um Assange zu erpressen, seinen Asylschutz aufzugeben. Das sei eines Rechtsstaats unwürdig. Wiederholt wurden auch Assanges Befürchtungen, von Schweden an die USA ausgeliefert und dort wegen Enthüllungen diverser Geheimdokumenten durch Wikileaks verurteilt zu werden.
Nicht das schwedische Rechtswesen sei zu kritisieren, sondern Assange selbst, erklärte schon vor dem Gerichtstermin Elisabeth Massi Fritz, die Anwältin einer der beiden Schwedinnen, die mit ihren Aussagen im August 2010 das Verfahren ins Rollen gebracht hatten. „Sollen Promis eine Sonderbehandlung bekommen und das Recht haben, mit der Justiz umzuspringen, wie es ihnen passt?“, fragt Fritz. Allein Assange blockiere die Ermittlungen. Seine Anwälte verfolgten das Ziel, dass er fliehen könne und sich nie für die ihm in Schweden vorgeworfenen Taten verantworten müsse.
Gegen den Bestand des Haftbefehls wollen Assanges Anwälte in Berufung gehen. Eine Entscheidung dort könnte schon in den kommenden Woche fallen. Würde der schwedische Haftbefehl aufgehoben, verlöre auch der entsprechende europäische seine Grundlage und für die Londoner Polizei gäbe es keinen Grund mehr die aufwändige Bewachung der Botschaft Ecuadors fortzusetzen. Doch erwartet Assange auch bei der britischen Justiz noch ein Verfahren, weil er durch die Flucht in die Botschaft gegen Auflagen verstoßen hat.
REINHARD WOLFF