Ringen um Waffenruhe

NAHOST Nachdem am Strand von Gaza vier palästinensische Kinder durch israelische Bombardierung sterben, wächst der internationale Druck. Erste kleine Feuerpause hielt

Insgesamt ist die Zahl der Todesopfer auf 230 gestiegen, davon ein Israeli

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen gehen weiter. Erste Berichte vom Donnerstagnachmittag über eine Einigung, ab Freitag 6 Uhr früh die Waffen endgültig schweigen zu lassen, wurden allerdings zunächst nicht offiziell bestätigt.

Die Berichte seien „weit von der Realität entfernt“, sagte Israels Außenminister Avigdor Lieberman. Hamas-Vertreter räumten lediglich „Fortschritte“ bei den Verhandlungen in Kairo ein.

Zuvor hatte eine für Donnerstag ab 10 Uhr vereinbarte fünfstündige Feuerpause weitgehend gehalten. Zigtausende Palästinenser nutzten die kurze Zeit, um ihre Vorräte aufzustocken. An den Geldautomaten der Banken bildeten sich lange Schlangen, und zum ersten Mal seit Tagen lebte der Autoverkehr wieder auf. UN-Mitarbeiter verteilten Nahrungsmittel, frisches Wasser und Toilettenartikel in den Flüchtlingslagern. Israel hatte auf Drängen des UN-Sonderkoordinators für den Nahost-Friedensprozess, Robert Serry, der befristeten Feuerpause zugestimmt.

Dem Appell Serrys war der tragische Tod von vier palästinensischen Jungen vorausgegangen. Diese hatten am Strand von Gaza Fußball gespielt, als israelische Bombardierungen begannen. Die Cousins waren von dem Beschuss offenbar regelrecht verfolgt worden. Israels Armee will den Tod der Jungen untersuchen. Israels Regierung bedauerte den „tragischen“ Vorfall.

Offiziell gaben humanitäre Gründe für Regierungschef Benjamin Netanjahu den Ausschlag, sich für eine temporäre Feuerpause zu entscheiden. Gleichzeitig sollte die Bevölkerung in Gaza einen Eindruck von den Verwüstungen bekommen, die die israelische Luftwaffe anrichtet. Viele Palästinenser hatten ihre Häuser seit Beginn der israelischen Militäroperation vor zehn Tagen nicht verlassen.

Bis zur letzten Minute vor der Feuerpause heulten die Sirenen am Morgen in weiten Teilen Israels auf, um die Bevölkerung vor den Raketenangriffen aus Gaza zu warnen. Genauso dauerten umgekehrt die israelischen Angriffe bis um 10 Uhr Ortszeit, dem vereinbarten Zeitpunkt für den Beginn der fünfstündigen Waffenruhe, an. Im Süden starben drei Palästinenser.

Von wenigen Mörsergranaten am Kontrollpunkt Erez abgesehen, hielten sich die Palästinenser an die Feuerpause. Wahrscheinlich ist, dass nicht die Hamas die Granaten abgefeuert hatte, sondern eine andere Widerstandsgruppe. Zwei Minuten vor Ablauf der festgelegten Zeit ertönten wieder die Sirenen in den israelischen Städten Ashkelon und Ashdod. Kurz darauf nahm auch Israels Luftwaffe, die sich strikt an die Feuerpause hielt, die Angriffe vor allem auf drei Ortschaften im nördlichen Gazastreifen wieder auf. Nur gut 20.000 der über 100.000 palästinensischen Bewohner der Region waren der Aufforderung der Armee nachgekommen, ihre Häuser zu verlassen.

Insgesamt sind in dem neuen Konflikt bisher 230 Menschen gestorben, alles mit einer Ausnahme Palästinenser. Israelische Analysten rechnen mit einer weiteren Eskalation, bevor der Gazastreifen wieder zur Ruhe kommt. Bei den letzten beiden kriegsähnlichen Auseinandersetzungen 2009 und 2012 intensivierten die Islamisten kurz vor Ende noch einmal deutlich die Angriffe auf Israel. Am Morgen entdeckten Soldaten eine Gruppe von 13 Palästinensern, die sich durch einen geheimen Tunnel Zugang nach Israel verschaffen wollten. Ein Palästinenser starb, als die Soldaten das Feuer auf das Kommando eröffneten, alle anderen konnten sich offenbar wieder zurück in den Tunnel retten.