Kuranyi grinst Schalke nach oben

Kevin Kuranyi ist gut drauf. Mit zwei Toren sichert er nicht nur den Schalker Sieg in Frankfurt. Auch die Meisterschaft rückt ins Visier. Nur das Thema Nationalmannschaft sorgt derzeit für schlechte Laune

AUS FRANKFURT TOBIAS SCHÄCHTER

Als Kevin Kuranyi am frühen Samstagabend in den Katakomben der Frankfurter Arena vor die Reporter trat, hatte sich auf seinem Gesicht längst ein seliges Dauergrinsen breit gemacht. Es schien nicht mehr weichen zu wollen, so stolz war der Angreifer des FC Schalke 04 nach seinen zwei Toren und einer Vorlage beim 3:1-Sieg bei der Eintracht. Sein Team hievte er zum Rückrundenauftakt nach den Samstagsspielen auf Platz Eins der Bundesligatabelle.

Kuranyi genoss den Moment sichtlich. Als seinen eigenen Triumph mochte er ihn aber partout nicht verkaufen. Der 24-Jährige sagte Sätze wie: „Wir wachsen als Mannschaft zusammen.“ Und: „Wir haben genug Selbstvertrauen, um Meister zu werden.“ Neun Spiele hintereinander sind die Schalker nun ungeschlagen und weil die Konkurrenz aus München und Stuttgart am Wochenende verloren hat, ist der Abstand auf einen Rang, der nicht zur Qualifikation für die Champions-League berechtigt, auf sechs Punkte gewachsen.

Die Weltmeisterschaft im Dauergrinsen war also zum Greifen nah für Kevin Kuranyi, wäre da nicht die hinterhältige Frage eines Journalisten dazwischen gekommen, der wissen wollte, ob den Angreifer auch die Anwesenheit von Bundestrainer Joachim Löw zu seinen Ligatoren sieben und acht und seiner besten Saisonleistung animiert hätte. Das Grinsen war schneller aus Kuranyis Gesicht verschwunden, als es gekommen war. Viel zu schnell, als dass man die Antwort für nichts anderes als die Wahrheit hätte halten können, sagte Kuranyi: „Ich bin immer motiviert, wenn ich für Schalke auflaufe, egal, wer im Stadion sitzt.“ Danach schlich wie auf Knopfdruck wieder das bekannte Grinsen in Kuranyis Antlitz.

Die Ausmusterung aus der Nationalmannschaft kurz vor der WM lastet noch immer auf der sensiblen Seele des Stürmers. Kuranyi hat diese Ausbootung als Demütigung begriffen, zumal die Begründungen damals im Ungefähren geblieben sind. Von mangelndem Trainingseifer war die Rede. Seine wahren Empfindungen ließ Kuranyi am Samstagabend im Aktuellen Sportstudio aus dem Gefängnis seiner Gefühle. Kuranyi sagte: „Wenn mich jemand runter tritt, werde ich wieder aufstehen. Ich bin ein Kämpfer.“

Bis lange in die Vorrunde hinein hatte er an dieser für ihn unverständlichen Entscheidung zu knabbern. Und auch in Schalke war er der Buhmann, nach dem holprigen Start in die Saison. Der Schwabe mit brasilianischen Wurzeln hatte ohnehin Probleme mit der Direktheit der Menschen im Ruhrpott nach seinem mit einigem Getöse vollzogenen 7,5 Millionen Euro teuren Wechsel von Stuttgart nach Gelsenkirchen. Die Phase des Selbstmitleids scheint Kuranyi nun aber endgültig hinter sich lassen zu wollen. 2007 soll zu seinem Jahr werden und die jäh unterbrochene Laufbahn in der Nationalmannschaft endlich ihre Fortsetzung finden.

Unterstützung erfährt er von seinem Trainer. „Kevin hat keine einzige Trainingsminute in der Vorbereitung versäumt. Dass sich das lohnt, hat man heute gesehen“, lobte Mirko Slomka, der sich sehr freuen würde, „wenn Kevin diese Leistung vom Bundestrainer honoriert bekäme“. Schon drei Tage vor dem Spiel unterrichtete Slomka Löw vom Trainingseifer seines so tief gefallenen Schützlings.

Austrainiert wirkte der Mittelstürmer, eiskalt vor dem Tor, glänzend als Vorbereiter bei Varelas Führung. Und er war sich nie zu schade, auch in der Defensive auszuhelfen. Kuranyi haftet immer schon das Image eines Schönwetterfußballers an. Wer mit bunten Schuhen und poppigen Bärtchen aufläuft, hat es gerade im Ruhrgebiet schwer. Spielt er sich nun aus dem Sumpf des Selbstmitleids wieder in eine Zukunft in der Nationalmannschaft, könnte dies für die auf dem Platz äußerst kompakt wirkenden Schalker von Mirko Slomka auf dem Weg zum Titel nur gut sein. Und: Kevin Kuranyi würde wohl schon sehr bald das selige Dauergrinsen selbst bei Nachfragen zur Nationalmannschaft nicht mehr aus dem Gesicht weichen.