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Archiv-Artikel

Deutschland so bestechlich wie im Vorjahr

„Korruption hält Millionen von Menschen in der Armutsfalle gefangen“, kritisiert Transparency International

BERLIN taz ■ Deutschland hat bei der Korruptionsbekämpfung keine Fortschritte gemacht. Nach dem von Transparency International gestern in Berlin veröffentlichten „Korruptionsindex“ für 2006 landete Deutschland wie im Vorjahr an 16. Stelle.

Vorbildliche Korruptionsbekämpfung wurde in Finnland, Island und Neuseeland registriert: Die drei Länder konnten ihre Spitzenposition verteidigen. Zu den Schlusslichtern gehören Haiti, der Irak, das südostasiatische Birma und Guinea in Westafrika.

Der Index misst die Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor. Er basiert auf Umfragen bei Unternehmen und Länderanalysten.

Deutlicher als in den Vorjahren zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen Korruption und Armut. Fast drei Viertel aller Länder erreichten weniger als fünf der zehn möglichen Punkte. Darunter befinden sich alle einkommensschwachen und sämtliche afrikanische Staaten außer Botswana. „Korruption hält Millionen von Menschen in der Armutsfalle gefangen“, sagt Huguette Labelle, die Vorsitzende von Transparency International.

Bei der Veröffentlichung des Rankings übte die Antikorruptionsorganisation deutliche Kritik an Deutschland, das die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) nicht ratifiziert hat. Die Konvention umfasst Initiativen und Regelungen gegen Korruption und kommt einem globalen Gesetz nahe. Um sich in Ländern, in denen Gesetze wirkungslos sind, auf ein internationales Mandat berufen zu können, müssen möglichst viele Staaten das Abkommen ratifizieren. 68 Länder haben das bisher getan – Deutschland nicht.

Der deutschen Ratifizierung steht der Paragraf 108 e des Strafgesetzbuches im Wege. In dem Gesetz ist Bestechung von Abgeordneten enger definiert als nach der UN-Konvention zulässig. So wird in Deutschland zwar ein Geldgeschenk unmittelbar vor einer Wahl als „Stimmenkauf“ verurteilt. Andere Zuwendungen an gewählte Vertreter sind aber zur „politischen Landschaftspflege“ zulässig, wenn sie zeitlich nicht mit einer Wahl zusammenfallen.

„Dass Abgeordnete in dieser Weise privilegiert werden, ist nicht richtig“, sagt Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen. Das Gesetz werde in naher Zeit neu gefasst, kündigte er an. „Ein Entwurf ist in Arbeit“, sagt auch Joachim Stünker, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Mitte 2007 werde das Gesetz diskutiert.

„Wenn Deutschland in der Korruptionsbekämpfung vorankommen will, muss das Tabuthema der finanziellen Zuwendungen an Volksvertreter offen diskutiert werden“, sagt Hansjörg Elshorst, Vorsitzender von Transparency in Deutschland. Die im Index vor Deutschland liegenden Länder gehen meist offener damit um. MAIKE BRZOSKA

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