: Weltmeister, Wowereit und wir
BERLIN UND DIE FANMEILE
In einer dicken Vitrine werden sie im Roten Rathaus präsentiert, die Einträge der Weltmeister ins Goldene Buch der Stadt. Die meisten sind unleserlich, logo, ein paar von Jogis Jungs waren ja auch schon angetüttelt, man hat’s auch beim Gaucho-Gate gemerkt. Dem Regierenden Bürgermeister ist es schnuppe. Er war mitten in den Bildern eines feiernden Berlin. Die größte Fanmeile Europas, die Weltmeister auf der Bühne, Wowi mit jedem Unterzeichner im Bild: Berlin und sein Senat haben wieder einmal Umsonstwerbung bekommen.
Noch im März stand die Fanmeile auf der Kippe. Der Bezirk Mitte wollte einen Zaun, der Senat war dagegen. Beide stritten zudem, wer die Meile genehmigen müsse. Im Mai genehmigte dann der Bezirk die Megameile. Eine typische Berliner Provinzposse. Bei den Kommentatoren der Weltmeisterschaft war davon keine Rede.
Berlin profitiert wieder einmal von seinem Image als Partyhauptstadt. Als 2006 der dritte Platz beim „Sommermärchen“ gefeiert werden sollte, war auch Frankfurt im Gespräch – der Sitz des DFB. Acht Jahre später war Berlin, um es im Merkelsprech zu sagen, alternativlos. Hunderttausende Fans haben selbst Bastian Schweinsteiger überzeugt: „So viele Menschen am Straßenrand: das kenn ich selbst aus München nicht.“
Was aber kann sich Berlin von diesem Rummel kaufen? Mehr Touristen? Mehr Schwung für die Olympiabewerbung? Einen neuerlichen Wahlsieg von Wowereit?
Eher kaum. Als 2006 die Fanmeile aus der Taufe gehoben wurde, waren die Bilder neu. Nun werden sie langsam langweilig. Wie selbstverständlich die Kamerafahrten übers Brandenburger Tor sind, zeigt die Aufmerksamkeit, die der missratenen Gaucho-Einlage zuteil wurde. Viel reizender waren ohnehin die Luftbilder vom Public Viewing an der Copacabana.
Und auch Wowereit kann so viele Weltmeister um sich scharen, wie er will. Sein Loser-Image wird er nicht mehr los. Olympia wird es zeigen. Die Mehrheit der Berliner wird, wenn sie gefragt wird, gegen eine Bewerbung stimmen.
Was also hinterlässt die Fanmeile nach dem WM-Ende? Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) ist optimistisch, hofft auf frischen Wind bei der Ansiedlung neuer Unternehmer. Tatsächlich aber wird es nicht mehr sein als ein laues Lüftchen. Berlin, die Stadt, die lange überraschen konnte, ist berechenbar geworden. UWE RADA