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Die Nicht-Ausstellungen

Die Düsseldorfer Kunsthalle feiert 40. Geburtstag und zeigt eine Chronik der sieben „between“-Ausstellungen zwischen 1969 und 1973, die Weichen für eine innovative Ausstellungspraxis stellten

VON KATJA BEHRENS

Vom britischen Künstler Tony Morgan stammte in den 1960ern die Idee, ein Ausstellungsformat als kritisches Statement zur Minimal Art zu ersinnen. In den Umbauphasen zwischen den Wechselausstellungen der Düsseldorfer Kunsthalle ermöglichte sie damals die Ausstellungsreihe „between“, wo jüngere Künstler mit kurzen Ausstellungen neue Konzepte und Präsentationsformen erprobten. Vielleicht auch lernten die Grenzen des Kunstwerks zu überschreiten und mit dem Publikum in den Dialog zu treten, der bald zum konzeptuellen Standard der Avantgardekunst werden sollte. An diese unerhörten Vorgänge erinnert die Kunsthalle jetzt mit der Ausstellung „Chronik einer Nicht-Ausstellung“. Zur Ausstellung erscheint statt Katalog eine Zeitung (deutsch/englisch).

Insgesamt sieben „between“- Ausstellungen mit Künstlern wie Marcel Broodthaers, Ingrid Schreiber, Timm Ulrichs, Gilbert & George, Robert Filou und anderen hat es zwischen 1969 und 1973 gegeben. Häufig waren es, wie bei Günther Ueckers Bau einer „Plantage“ oder bei Klaus Rinkes Demonstration „Zwischenmenschliche Beziehungen“ (beide between 2), sowohl der offen und öffentlich gezeigte Entstehungsprozess als auch die aktive Teilhabe und Benutzung der Arbeit, die Besucher einbanden und zu einem Teil des Werkes machten. Für die Gruppe Politisch Soziale Realität PSR (between 5) waren die Aktionen darüber hinaus auch Versuche zur Dokumentation gesellschaftlicher Konflikte und zur Demokratisierung der Kulturinstitute.

Renate Buschmann, Mit-Kuratorin und Forscherin zur Kunsthallen-Geschichte, hatte früher schon mit dem damaligen Kunsthallendirektor Karl Ruhrberg und seinem Stellvertreter Jürgen Harten gesprochen, hat viele der Künstler befragt und zur Teilnahme bewegen können und ist in manchem Archiv fündig geworden. Die Rekonstruktionen sind, auch wenn die Künstler sie heute nicht mehr stunden- oder gar tagelang selbst bespielen, weitgehend authentisch und teilweise mit dem originalen Material gefertigt. Dennoch ist die Schau mit der exemplarischen Auswahl einiger Werke eine historische Ausstellung, deren Macherin ausdrücklich eine auratische Aufladung der Szenerie und den romantisch-sentimentalen Blick vermeidet. Den verdanken die älteren Düsseldorfer Ausstellungsbesucher dann schon eher ihren eigenen Erinnerungen an die Zeit.

Gotthard Graubners Environment „Nebelraum“ (between 1) wurde für die Ausstellung vom Künstler rekonstruiert und ermöglicht es nun wieder, die existentielle Erfahrung des unsicheren Tastens im undurchsichtigen Dampf selbst zu machen. Ein bizarres Ereignis, das – glaubt man den Zeitzeugen – nichts von seiner ursprünglichen Kraft eingebüßt hat. Heute hat der Künstler allerdings eigens ein Tastobjekt in den Raum gestellt: Man muss also nicht mehr bloß an seinen blinden Mitmenschen herum oder an der Wand entlang tasten.

Ein Glücksfall für die Ausstellung sind sicher auch die vielen Filme unterschiedlicher Herkunft, die Fernsehreportagen, sowie die Bilder des Düsseldorfer Fotografen Bernd Jansen, der mehrere between-Ausstellungen begleitend dokumentiert hat. Die historischen Fotografien geben auch davon einen Eindruck, wie begeisterungsfähig das damalige Kunstpublikum war, wie begierig darauf, sich an der Aufführung und Vollendung der Kunstwerke zu beteiligen. Damals, Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, ging es nicht allein um die physische, die aktionistische Erweiterung des objekthaften Werkes, sondern ebenso um das soziale Engagement und die gesellschaftspolitische Sprengkraft von Kunst. In ihrem Namen wurde gespielt und debattiert, wurde gesprungen und gesungen, geschaukelt und gelacht, und es wurde natürlich auch Politik gemacht. Subversion war der deutliche Subtext nahezu aller Werke, Performances und Aktionen in den oft nur einige Tage dauernden Ausstellungen. Die avantgardistische und impulsgebende Rolle, die die Institution Kunsthalle in jenen Tagen in Düsseldorf gespielt hat, wünscht man sich heute, vielleicht doch ein wenig wehmütig, wieder herbei.

Bis 9. April 2007Infos: 0211-8996240

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