DIE WERBEPAUSE : Ehre geht nicht verloren
Ruhm und Ehre funktionieren offenbar nach ähnlichen Prinzipien wie die Energie. Laut dem Energieerhaltungssatz, einer der ehernen Grundsätze der Physik, geht sie ja nie verloren, sondern wechselt lediglich die Form.
Im Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs wechselt die Ehre den Besitzer. Denn im Gegensatz zu seiner edlen Abstammung oder seinem – bis auf die montagabendliche Vorstellung gekonnt inszenierter Zerknirschtheit in Kerkheim – markigen Auftreten stand dem Verteidigungsminister zumindest dafür bislang tatsächlich ein gewisses Ansehen zu: für die Leistung, eine 475 Seiten starke Forschungsarbeit vorgelegt zu haben. Dieses Ansehen gebührt jetzt denen, die würdig genug erschienen, um von ihnen abzukupfern.
Denn jeder Schüler, der in der Physik kein Einstein ist, wird wissen, dass man in der Klausur nicht beim erstbesten Nachbarn abschreibt, der womöglich viel, aber nicht viel Richtiges aufs Papier bringt. Wer nicht intelligent genug für Mathematik, aber immerhin schlau genug ist, Gelegenheiten zu erkennen und wahrzunehmen, wird sich neben die Jugend-forscht-Gewinnerin setzen. Im Fall Guttenbergs war das unter anderem Klara Obermüller mit ihrem am 22. Juni 2003 in der NZZ am Sonntag erschienenen Text „Gott hat keinen Platz in der europäischen Verfassung“.
Und Guttenberg war so schlau, denn weder die Gutachter Peter Häberle und Rudolf Streinz noch sonst jemand an der Universität Bayreuth haben zunächst etwas von dem Plagiat bemerkt, sondern dem aufstrebenden jungen Politiker noch ein wenig Starthilfe mit auf den Weg gegeben. Schließlich hat rund jeder fünfte Bundestagsabgeordnete promoviert.
NZZ-Chefredakteur Felix Müller hat nun von Guttenberg eine Entschuldigung verlangt. Da muss man aber schon fragen: Wofür eigentlich? Für eine Auszeichnung summa cum laude? Für eine Zeitung kann es kaum ein höheres Lob geben, als ein Minister, der ihre journalistische Sorgfalt so hoch einschätzt, dass sie auch einer wissenschaftlichen Promotionsschrift würdig wäre.
Die Werbeabteilung der NZZ hat das offenbar erkannt. Und die vom Freiherrn gestohlene Ehre, die eigentlich der Autorin gehört, wiederum in Energie verwandelt. Für das eigene Produkt.
ARIANE LEMME
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