: Neue Chance für muslimischen Ladenhelfer
JUSTIZ Gericht fordert Suche nach Ersatzjob, wenn religiöse Gründe Tätigkeit verbieten
FREIBURG taz | Einem Muslim, der als Ladenhilfe im Supermarkt keinen Alkohol einräumen will, kann nur gekündigt werden, wenn sich für ihn kein passender Ersatzarbeitsplatz findet. Das hat am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Ein Fall aus Schleswig-Holstein muss nun neu aufgerollt werden.
Geklagt hatte ein türkischstämmiger Arbeiter, der seit 1994 bei einem coop-Warenhaus in Kiel arbeitet. Zunächst war er in der Autowaschstraße beschäftigt, dann in der Getränkeabteilung. Später wechselte er in die Abteilung für Milchprodukte, vertrug aber die Kühle nicht und wurde immer wieder krank. Also schickte ihn der Arbeitgeber zurück in die Getränkeabteilung, wo es dann zu Konflikten kam.
Der 47-jährige weigerte sich, Alkoholika in die Regale einzuräumen. Er begründete dies mit seinem muslimischen Glauben, der ihm jeden Umgang mit Alkohol verbiete. Nachdem der Mann nicht umzustimmen war, wurde ihm im März 2008 fristlos gekündigt. Schließlich habe er auch früher in der Getränkeabteilung gearbeitet. Außerdem verbiete der Koran nur das Trinken von Alkohol.
In den Vorinstanzen hatte coop überwiegend Erfolg. Das Landesarbeitsgericht kassierte zwar die fristlose Kündigung, ließ aber eine ordentliche Kündigung gelten. Dagegen rief der vom DGB unterstützte Mann das Bundesarbeitsgericht an. Auf seinen Glauben müsse Rücksicht genommen werden, er sei religiöser geworden und habe früher in der Getränkeabteilung nur Saft und Sprudel einräumen müssen – was aber umstritten ist.
Das Bundesarbeitsgericht versuchte sich nicht an einer Koranauslegung, sondern unterstellte, dass der Mann ein ernstes Gewissensproblem hat. Entscheidend für die Lösung des Falls sei die Gewerbeordnung (Paragraf 106), so der Vorsitzende Richter Burghard Kreft. Danach hat der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten ein Weisungsrecht, muss dieses aber „nach billigem Ermessen“ ausüben und dabei auch religiöse Beschränkungen berücksichtigen. Eine Kündigung des Muslim sei nur möglich, wenn es für ihn keinen unproblematischen Ersatzarbeitsplatz gebe. Das Landesarbeitsgericht Kiel muss dies nun prüfen. Dabei wird auf coop abgestellt, nicht das konkrete Warenhaus. CHRISTIAN RATH