off-kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Dem breiten Publikum ist Erich von Stroheim vornehmlich als Schauspieler („The Man You Love to Hate“) und als Regisseur kostspieliger Exzesse bekannt – dabei war der gebürtige Österreicher vor allen Dingen ein fanatischer Realist, der seine Geschichten mit größtmöglicher Detailtreue auf die Leinwand zu bringen gedachte. So dauerte seine Verfilmung von Frank Norris’ naturalistischem Roman „McTeague“ unter dem Titel „Greed“ (1923) ursprünglich beinahe neun Stunden, denn Stroheim hatte praktisch Seite für Seite seiner literarischen Vorlage abgefilmt. Zudem drehte er die Geschichte vom beständigen sozialen Abstieg eines Ehepaares (Zasu Pitts und Gibson Gowland) an Originalschauplätzen in einem heruntergekommenen Viertel von San Francisco und ließ seine Darsteller beim Finale in der Wüste des Death Valley solange in der Sonne schmoren, bis sie den von ihm gewünschten erschöpften Eindruck machten. Natürlich wurde der Film auf Betreiben des Studios drastisch gekürzt: Eine ca. fünfstündige Fassung verantwortete Stroheim noch selbst, doch das war den Studiobossen nicht genug. Für eine etwa zweistündige Fassung wurden Sequenzen umgestellt, kommentierende Nebenhandlungen entfernt und eine Symbolik hinzugefügt, die der Realist Stroheim niemals intendiert hatte: Details gingen verloren, manche Handlungsstränge erschienen nun schlicht unverständlich. Da sich jedoch das originale Drehbuch sowie eine große Zahl von Standfotos der vermissten Szenen erhalten haben, war es in den letzten Jahren möglich, „Greed“ mit erklärenden Zwischentiteln und dem Einfügen von Fotos so weit wie möglich zu rekonstruieren. Der amerikanische Filmhistoriker Rick Schmidlin, der diese Arbeit vorgenommen hat, wird im Filmmuseum Potsdam eine Einführung zum Film halten.
Filmhistorisch bedeutsam ist auch Max Ophüls’ erster abendfüllender Spielfilm „Die verliebte Firma“, in dem er die Filmbranche amüsant auf die Schippe nimmt. Man dreht eine Tonfilmoperette in Bayern und das möglichst billig: Als die zickige Hauptdarstellerin wütend abreist, entdeckt man mit der hübschen blonden Grete von der Dorfpost schnell mal eben „ein neues Gesicht“. Zwar verlieben sich alle in das attraktive Mädchen – doch leider ist sie völlig untalentiert. Nur im Traum wird sie ein Star. Interessant ist vor allem, wie sich bereits in diesem Frühwerk vieles finden lässt, was Ophüls später berühmt machen sollte: das hohe Tempo, die ständige Bewegung und in Ansätzen auch die langen flüssigen Kamerafahrten.
Zu den großen Klassikern des Film noir gehört „The Big Sleep“ von Regisseur Howard Hawks: Als harter und leicht zynischer Detektiv Philip Marlowe kämpft sich Humphrey Bogart in der Raymond-Chandler-Verfilmung durch einen Dschungel von Intrigen und bekommt es dabei mit Mord, Erpressung, schönen Frauen und allerlei Lügen zu tun. Schwärzer als schwarz fotografiert, präsentiert sich der Film als ein Querschnitt menschlicher Gemein- und Schwachheiten, eingebettet in eine völlig labyrinthische Handlung LARS PENNING