MARTIN REICHERT über LANDMÄNNER
: Mängelzwerge auf großer Fahrt

Unser Auto ist ein Edel-Stinker mit VIP-Plakette. Ohne es wären wir in der Umweltzone Brandenburg verloren

Das Auto hat jetzt eine VIP-Markierung, eine Art All-Areas-Badge: eine Plakette zur Nutzung der künftigen „Umweltzonen“ der Berliner Innenstadt – auch TÜV und ASU sind neu, weshalb einem die Horrormeldungen des Technischen Überwachungsvereins gerade runtergehen wie Öl, endlich mal auf der richtigen Seite: Jedes fünfte Auto ist mit erheblichen Mängeln unterwegs? Meines nicht.

Nicht mehr jedenfalls, dank des Improvisationstalents unseres polnischen Schraubers, der mich immer mit einem herzlichen „Mein Freund“ begrüßt. Ein guter, ein sehr guter Kunde eben, dessen Fahrzeug sich auf den vorderen Plätzen der Pannenstatistik tummelt, weil die Franzosen ihre zickigen Gerätschaften nach dem Motto „So gut wie nötig“ statt „So gut wie möglich“ herstellen – la „Grande Nation“ gibt sich eben nonchalant, und die Deutschen freuen sich stattdessen wie blöde, dass sie wieder die Spitzenplätze bei den „Mängelzwergen“ besetzten. Puh.

Der „Zitrööhn“, so die ostdeutsche Aussprache der schon von Honecker favorisierten Marke – als Bonzenkutsche geschmäht geschätzt –, wird allerdings in den Berliner „Umweltzonen“ eher herumstehen, denn zum Einsatz kommt er für gewöhnlich in der richtigen grünen Umwelt: auf den LPG-Plattenwegen und Alleen der Mark Brandenburg, die wiederum von den meisten Berlinern für „die Zone“ schlechthin gehalten wird. Fährt man mit den Öffentlichen in die Ackerbürgerstadt, braucht man länger als nach Hamburg – und ist dann vor Ort an die Scholle gekettet, als hätte es die Bauernbefreiung nie gegeben. Ohne Auto läuft da gar nichts.

Nur mein Freund ist immer auf der ökologisch korrekten Seite. Wenn wir mal wieder in den Baumarkt oder zum Förster müssen, um Materialien für den Ausbau seines „ökosozialen Wohnprojekts“ zu organisieren, bin ich ja der fossile Brennstoffe verheizende Täter. Er hat nicht mal eine „Fahrerlaubnis“, sondern nur das Trauma, als Jugendlicher von der Obrigkeit zu einer KFZ-Schlosser-Lehre gezwungen worden zu sein. Was bedeutet, dass er zwar die Blattfederung eines 79er Wartburgs reparieren kann, aber nicht weiß, was eine Einspritzpumpe ist. Opfer.

Wenn wir dann mit „Abba-Gold“-Soundtrack zum Baumarkt fahren, vorbei an den unzähligen Holzkreuzen jugendlicher Raser, kann er ruhigen Gewissens über den Klimawandel dozieren. Noch besser war nur unser Versuch, Öko-Ziegenkäse aus Kuhhorst (kein Witz!) zu organisieren. Ja, es sollte ein Geschenk für einen lieben Menschen sein, aber für den Erwerb dieses Stücks Nachhaltigkeit gingen mindestens fünf Liter Benzin drauf. Wir hatten uns verfahren, erst ein keineswegs ökologisch arbeitender Bauer, der einer Kuh gerade dermaßen die Hufe auskratzte, das Blut floß, schickte uns auf die richtige Spur. Einen völlig verschlammten Feldweg. Wie der Feinschmecker-Kritiker mit seinem Volvo bis zu diesem Hof gelangt ist, weiß kein Mensch. Aber wir haben es ja auch geschafft.

Der Gourmet-geadelte Biokäse war dann recht schnell eingetütet, doch nach den Strapazen wollten wir uns bei einem Kaffee erholen, den man in Kuhhorst laut Beschilderung „mit Blick auf die grünen Wiesen Brandenburgs“ genießen kann. Als mein Freund dann jedoch ansetzte, den Besitzer darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Wiesen genau genommen um ein Rapsfeld handele, war ich kurz davor, ihn einfach in Kuhhorst auszusetzen.

Manchmal stimmen die Texte, die man so ablässt, eben mit der Wirklichkeit nicht überein. Wir brauchen das Auto beide, leisten können wir es uns nur, weil ich es geerbt habe – und eigentlich überhaupt nicht, das Geld für die Reparaturen ist geliehen. Drei-Liter-Auto? Gibt’s zwar nur noch gebraucht, aber immer noch zu teuer.

Auf die VIP-Plakette für zehn Euro hätte ich jedenfalls verzichten können, schlimmer ist jedoch, dass der TÜV auch nicht mehr ist, was er mal war. Die wichtigsten Mängel haben sie übersehen: Die „Abba“-CD bleibt bei „Voulez-Vous“ und „Super Trouper“ hängen.

Kontrollzwerge.

Fragen zum Landmann? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH