: Kein Winter, weniger Arbeitslose
Der Kälteschock fällt auch am Arbeitsmarkt aus: geringe Zuwächse der Arbeitslosigkeit gegenüber Vormonat, starke Entlastung im Vergleich zu 2006. Müntefering: „Wende“
NÜRNBERG rtr / taz ■ Die gute Konjunktur und das milde Wetter haben dem Arbeitsmarkt zum Jahresanfang Schwung verliehen. Der für den Winter übliche Anstieg der Arbeitslosenzahl fiel im Januar mit einer Zunahme auf 4,247 Millionen geringer aus als in den Vorjahren, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) gestern mitteilte. Sie zählte 239.000 Arbeitslose mehr als im Dezember, aber 764.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote betrug 10,2 Prozent. „Das ist die Wende“, erklärte Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Die Bundesregierung erwartet, dass es in diesem Jahr knapp eine halbe Million Arbeitslose weniger geben wird als 2006. Die Bundesagentur verzeichnete den niedrigsten Januar-Stand bei der Arbeitslosenzahl seit sechs Jahren. Zur positiven Entwicklung trug auch das Wetter bei. „Wir hatten noch keinen Winter bis zum Zähltag im Januar“, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, auch die stärkere Vermögensanrechnung beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zu Hartz IV entlaste die Statistik.
Für das Gesamtjahr zeigt sich die BA vorsichtiger als die Regierung. Während Wirtschaftsminister Michael Glos seine Erwartungen an den Rückgang der Arbeitslosigkeit im neuen Jahreswirtschaftsbericht drastisch hochschraubte, hielt Weise an der Schätzung der Bundesagentur für Arbeit fest.
Union und SPD nahmen die Arbeitsmarktzahlen zum Anlass, vom Koalitionspartner Bewegung bei den Arbeitsmarktreformen zu fordern. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla forderte erneut staatliche Lohnzuschüsse in Form von Kombilöhnen und lehnte flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne ab. Sein SPD-Kollege Hubertus Heil plädierte für tarifliche Mindestlöhne und einen staatlich bezuschussten sozialen Arbeitsmarkt.
DGB und Opposition mahnten die Regierung zu Realismus. Die Arbeitslosigkeit habe den Stand der Neunzigerjahre erreicht, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Was vor wenigen Jahren auch offiziell als Skandal galt, kann heute nicht als Erfolgsgeschichte verharmlost werden.“ FDP-Vizefraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Mildes Wetter kann keine Arbeitsmarktreformen ersetzen.“
Gleichzeitig stellt eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fest, dass die Lage für Jugendliche mit mittlerem Bildungsabschluss auf dem Lehrstellenmarkt immer schwieriger wird. Der Anteil der besser Qualifizierten bei berufsvorbereitenden Maßnahmen oder in außerbetrieblichen Ausbildungen steigen immer weiter an, so die Studie. „Die Zugangsprobleme zu einer beruflichen Ausbildung verschärfen sich“, sagte ein IAB-Forscher. floh