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Archiv-Artikel

Europa off limits

13 CIA-Mitarbeiter können nicht mehr einreisen, weil sie mit Haftbefehl gesucht werden

VON WOLFGANG GAST UND LUKAS WALLRAFF

Drei Jahre und einen Monat nach der Verschleppung von Khaled El Masri nach Afghanistan hat die Münchner Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen 13 Mitarbeiter des US-Geheimdiensts CIA erlassen. Ihnen wird Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Bei den Verdächtigen handelt es sich um die Mitglieder jener Flugzeugbesatzung, die den deutschen Staatsbürger El Masri am 31. Dezember 2003 von Mazedonien nach Afghanistan verschleppt haben soll.

Die Entführung El Masris, der nach eigenen Angaben in einem Geheimgefängnis fünf Monate lang festgehalten und gefoltert wurde, beschäftigte Untersuchungsausschüsse des Bundestages und des EU-Parlaments. Wie gestern bekannt wurde, ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat im Fall El Masri gegen mehrere Journalisten (siehe Seite 18).

„Bei den in den Haftbefehlen aufgeführten Personalien der Beschuldigten dürfte es sich – nach bisherigen Erkenntnissen – um sogenannte Tarnidentitäten von CIA-Agenten handeln“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld. Der Anwalt von El Masri übergab im Dezember 2005 den Ermittlern in Bayern eine Namensliste, die ein spanischer Journalist unter Berufung auf Angaben der Guardia Civil zusammen gestellt hatte. Nach seinem Rechtshilfeersuchen an Spanien sei es dann den deutschen Staatsanwälten gelungen, „konkrete Personen zu ermitteln“, erklärte Schmidt-Sommerfeld.

Nach Informationen des Fernsehmagazins „Panorama“ sind den Ermittlern auch mehrere Klarnamen der Beschuldigten bekannt. Dem Magazin gelang es nach eigenen Angaben selbst, in drei Fällen die tatsächlichen Namen und Adressen zu ermitteln. Sie leben demnach in Smithfield (North Carolina). Es handele sich um Piloten, die im Auftrag der CIA unter Decknamen in Mallorca einreisten. Von dort aus hat die CIA auch nach einem Bericht des EU-Sonderermittlers Dick Marty mehrere Entführungsaktionen gestartet, darunter die Verschleppung El Masris.

Die Bundesregierung enthielt sich eines Kommentars. Die Oppositionsparteien begrüßten die Haftbefehle. Mit dieser Entscheidung seien die letzten Zweifel an der Entführung El Masris ausgeräumt worden, sagte der FDP-Politiker Max Stadler. Grünen-Obmann Christian Ströbele forderte die Bundesregierung auf, in Washington vorstellig zu werden und auf Konsequenzen zu drängen. Die Sprecherin des Justizministeriums, Eva Schmierer, sagte auf Nachfrage, die Angelegenheit sei „zunächst mal keine Sache der Bundesregierung“. Es sei Sache der Staatsanwaltschaft, die nächsten Schritte einzuleiten. Möglich sei, „über den Dienstweg an die Bundesregierung heranzutreten mit der Bitte, ein Ersuchen an die amerikanischen Stellen zu richten“. Auf die Frage, ob Haftbefehle gegen CIA-Agenten die Zusammenarbeit der Geheimdienste gefährden, betonte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die „Unabhängigkeit der Justiz“. Der Sprecher des Außenministers sagte, er kenne bisher keine Reaktionen der US-Regierung.

Innenpolitisch hält sich die Aufregung in Grenzen. Auch die Oppositionspolitiker Stadler und Ströbele hatten nach zahlreichen Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss erklärt, dass es bisher keine Beweise dafür gebe, dass die rot-grüne Bundesregierung während der Entführung El Masris von dem Fall wusste oder gar darin verwickelt war. Ströbele kritisierte jedoch, dass sich Vertreter der rot-grünen Regierung nach Bekanntwerden des Falls „sehr ungenügend bemüht haben, zur Aufklärung und zur Unterstützung von Khaled El Masri beizutragen“.

Eine Festnahme der Beschuldigten ist äußerst unwahrscheinlich. Die ausgestellten Haftbefehle haben in den USA keine Gültigkeit, zur Auslieferung sind die USA laut Justizministerium „nicht verpflichtet“. Sollten die CIA-Leute aber nach Europa einreisen, können sie auf der Stelle festgenommen werden. „Europa ist ein kleines bisschen sicherer geworden“, freute sich deshalb Ströbele – „weil jedenfalls diese 13 hier wohl vorerst nicht mehr tätig werden.“