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Archiv-Artikel

Knast mangelhaft

Experten fällen harsches Urteil: Jugendgefängnisse in NRW sind überbelegt. Auch an Personal fehlt es

BONN dpa ■ Drei Monate nach dem Foltermord von Siegburg hat eine Expertenkommission die Situation in nordrhein-westfälischen Jugendstrafanstalten als mangelhaft bewertet und Verbesserungen gefordert. Die Anstalten seien meist überbelegt, es fehle an Personal und an Haftplätzen und auch in der Aufsicht gebe es Versäumnisse, urteilte die Kommission in einem Bericht, den sie gestern in Bonn an NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) übergab. Schwerwiegende Defizite gebe es vor allem in der JVA Siegburg, wo es im November 2006 zu dem Foltermord an einem 20- jährigen Häftling durch Mitgefangene kam.

Die Kommission hatte sich vor Ort in den fünf Jugendstrafanstalten Hövelhof, Herford, Iserlohn, Heinsberg und Siegburg und auch in Gesprächen mit Gefangenen ein Bild über die Lage gemacht. Sie gab eine Reihe von Empfehlungen für Gewaltprävention in den Anstalten. Auch das Landesjustizvollzugsamt habe seine Aufsicht „in den letzten Jahren offenbar nicht ausreichend wahrgenommen“, urteilten die Experten. Es gebe „keine Patentrezepte“, wie Gewalt verhindert werden könne, aber es gebe Erfahrungen, auf denen aufgebaut werden könne, sagte der Leiter der Kommission, Eckart Werthebach. Nach seinen Angaben will Ministerin Müller-Piepenkötter 330 zusätzliche Stellen bereitstellen und 600 bis 800 neue Haftplätze schaffen.

Im Unterschied zu den anderen vier Anstalten sei Siegburg nicht so intensiv betreut worden, sagte Werthebach. „Die Versäumnisse in der Aufsicht haben dazu beigetragen, dass sich die JVA Siegburg zu einem betreuungsarmen Verwahrvollzug zurück entwickelt hat.“ Gegen den früheren Leiter des Siegburger Gefängnisses und weitere Bedienstete dauern strafrechtliche Ermittlungen noch an.