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Archiv-Artikel

„Airbus ist kein Sanierungsfall“

Selbst wenn Airbus Werke verkauft, heißt das nicht, dass es dort künftig weniger Jobs gibt. Der Luftfahrtexperte Peter Pletschacher warnt vor Panikmache an den deutschen Produktionsstandorten des Flugzeugbauers

taz: Herr Pletschacher, heute demonstrieren Mitarbeiter und Ministerpräsidenten in Hamburg, Bremen und Varel für den Erhalt der Jobs bei Airbus. Was soll das bringen?

Peter Pletschacher: Natürlich ist bei den Politikern auch eine Prise Populismus dabei. Aber ich warne vor Panikmache. Airbus ist trotz der Probleme mit dem A 380 kein Sanierungsfall, die Auftragsbücher sind voll, die brauchen jeden Mann. Was genau passiert, wissen wir erst am 20. Februar, wenn das Sanierungsprogramm „Power 08“ vorgestellt wird. Mit Sicherheit werden unter dem Strich Arbeitsplätze auch an den deutschen Standorten verloren gehen. Aber Kostensenkung ist wichtig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Es geht um 10.000 der etwa 110.000 Airbus-Beschäftigten in Europa, sagt Tom Enders, der Co-Chef der Airbus-Mutter EADS. Es zeichnet sich ab, dass sich der Konzern von seinen kleineren Werken trennen könnte.

Selbst wenn Werke verkauft werden, heißt das nicht, dass es dort künftig weniger Arbeitsplätze gibt. In Nordenham werden zurzeit Rumpfschalen montiert, die in Hamburg oder Toulouse zusammengebaut werden. Allerdings gibt es auch Werke in den USA, die Alenia in Italien oder die Ruag in München, die Ähnliches bereits im Auftrag von Boeing und auch für Airbus tun. Was wäre so schlimm, wenn einer der Subunternehmer das Werk in Nordenham kaufen würde? Arbeit für die Beschäftigten ist doch vorhanden.

Die fünf Milliarden Euro, die Airbus bis 2010 einsparen will, zahlt also der Arbeitnehmer durch niedrige Löhne beim neuen Dienstherrn?

Zum Teil. Aber „Power 08“ soll auch Einsparungen durch verbesserten Einkauf oder die Konzentration von Zulieferern bringen. Dabei sehe ich die deutschen Zulieferer nicht so sehr in Gefahr: Viele dieser Mittelständler sind technisch so weit vorne, dass sie weltweit kaum Wettbewerber haben.

Sollte Airbus künftig möglichst viel Arbeit auslagern?

Nein. Es wird auch in den USA gerade mit Argwohn betrachtet, dass Boeing in seinem Stammwerk in Seattle die geplante 787 nur noch mit rund 1.000 Mitarbeitern zusammenschrauben will und einen Großteil der Arbeit weltweit auslagert. Bei der Kritik geht es um den Export von Arbeitsplätzen und um den Verlust an technologischer Kompetenz.

Halten Sie es für richtig, die Fertigung der A 320-Familie und des A 380 strikt in den Standorten Hamburg und Toulouse zu trennen?

Man kann die Endfertigung des Airbus-Jumbo 380 nicht stante pede in Toulouse konzentrieren, dann käme die Produktion ins Schleudern. Allerdings sollte Airbus den kommenden A 350 nur an einem Standort montieren.

Ist es richtig von Bund und Ländern, das DaimlerChrysler-Aktienpaket zu kaufen?

Da die Stimmrechte für diese 7,5 Prozent bei DaimlerChrysler verbleiben, habe ich den Eindruck, dass die öffentliche Hand mit dem Einstieg die Kassen des Autobauers saniert – die freuen sich sicher riesig. Allerdings muss die Politik darauf achten, dass ein Drittel der Arbeit in Deutschland bleibt. Airbus ist kein normaler Konzern, sondern durch Subventionen, also unsere Steuergelder, seit den 80er Jahren groß geworden. Deshalb müssen Jobs und Wertschöpfung auch hier bleiben. INTERVIEW: KAI SCHÖNEBERG