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Archiv-Artikel

Forscher feilen bis zuletzt am Klimareport

Heute wird in Paris der aktuelle UNO-Bericht zum Klimawandel vorgestellt. Klar ist: Die Ergebnisse werden alarmierend ausfallen. Temperatur steigt bis 2100 um bis zu 6,3 Grad. Entscheidungsträger sollen zum Handeln bewegt werden

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Gestern Abend um fünf vor acht gingen in Paris viele Lichter aus. Sogar der von tausenden Glühbirnen beleuchtete Eiffelturm hörte auf zu blinken. Der „Blackout“ dauerte nur fünf Minuten: Es war keine Strompanne, sondern ein kollektiver Appell solidarischer Bürger und der Hauptstadtbehörden.

Ein weiterer dringlicher Appell wird heute von Paris aus in die Welt gehen: Mehr als 500 Wissenschaftler aus 154 Staaten feilen dort seit Montag gemeinsam am vierten sogenannten IPCC-Bericht. Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist der Klimaausschuss der Vereinten Nationen. Er liefert alle fünf bis sechs Jahre die verlässlichste wissenschaftliche Auswertung über die Erderwärmung und ihre Auswirkungen.

Heute werden die Ergebnisse präsentiert. Debattiert wird nicht mehr, ob die Klimaerwärmung wirklich auf menschliche Einwirkung zurückzuführen ist. Jetzt geht es nur noch um das Ausmaß der zu erwartenden Schäden und Katastrophen, über die Bandbreite und die Geschwindigkeit, mit der die Temperaturen und der Meeresspiegel im Verlauf dieses Jahrhunderts unausweichlich ansteigen.

Seit Jahren haben die Forscher in ihren Spezialgebieten gearbeitet und die Ergebnisse dann in rund zwanzig Modellen berechnet und verglichen, um die wahrscheinlichen Interaktionen zu analysieren. Ihre Diagnose wird dadurch immer präziser. Doch gerade weil ihre Schlussfolgerungen wissenschaftlich genau sein müssen, feilschen die Klimaexperten in Paris noch bis zur Veröffentlichung ihrer 14-seitigen Zusammenfassung um jedes Wort und jede Nuance. So herrschte bei der Schlussredaktion des Texts über das Klima manchmal dicke Luft.

Nach den bisher bekannt gewordenen Entwürfen gehen die Wissenschaftler bis zum Jahr 2100 von einer Erwärmung zwischen 2 und 6,3 Grad und einem Ansteigen des Meeresspiegels um 28 bis 43 Zentimeter aus – abhängig davon, wie viel Treibhausgase in Zukunft ausgestoßen werden. Da es vor allem die Regierungen sind, die nun die Konsequenzen aus den Warnungen ziehen sollen, steht das internationale Fachgremium auch unter dem Druck von Politik und Wirtschaftsinteressen. Nicht weniger als 700 Fragen haben Regierungsstellen den Experten gestellt. Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri geht davon aus, dass alle Zweifel ausgeräumt werden: „Ich hoffe, dass unser Bericht die Leute schockiert und die Regierenden dazu drängt, ernsthaftere Aktionen zu unternehmen.“