LOB DER WANDLUNG
: Bunter werden

Steineklackern klingt definitiv schöner als Urinpladdern

Lässt man eine Örtlichkeit in der Stadt längere Zeit links liegen, kann es passieren, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war, wenn man dann doch wieder hinschaut. So erging es mir mit dem Transformatorenhäuschen wenige Meter neben meinem Wohnhaus, das ich von meinem Balkon aus sehen kann. Entweder liegt es an dem Wachstum meiner Pflanzen oder an meinem mangelnden Interesse an Versorgungsgebäuden, dass ich das unscheinbare Bauwerk mit Nichtachtung gestraft habe.

Ab und an höre ich zwar, wie Kinder vom Dach des Häuschens Kieselsteinchen hinunterwerfen. Doch das ignoriere ich genauso wie das Urinieren der Männer direkt neben dem Versorgungsgebäude. Steineklackern klingt definitiv schöner als Urinpladdern.

Ich war völlig von den Socken, als ich beim Blumengießen sah, dass dort, wo bisher nur langweiliges Grau war, buntes Leben eingezogen war. Jemand hatte das Trafohäuschen in ein BVG-Häuschen verwandelt, holla! Wenige Tage später nahm ich das Kunstwerk von unten aus genauer in Augenschein. Auf der Vorderseite prangen zwei große Schalterfenster und ein gelber Ticketautomat, auf dem groß „Kasse“ steht. Auch auf die linke und rechte Seite sind Schalterfenster gemalt. Zweimal umrundete ich das Häuschen, aber ich sah kein Signet des Künstlers. Ich fand die anonyme Malerei jedenfalls gelungen.

Nur fehlen die Mitarbeiter. Bei den Fenstern an den Seiten sind die Rollos unten, tote Hose. Im rechten Schalterfenster auf der Vorderseite ist das Rollo zwar oben, doch da hocken zwei bunte Blumentöpfe. Aber da, im linken Fenster sitzt ein Mann! Es ist nur ein kleines Stück von seinem Kopf zu sehen, weil er eine sehr große Zeitung in den Händen hält und liest. Aber das Allerbeste ist, dass ich keinen Mann mehr dort pinkeln gesehen beziehungsweise gehört habe. Es lebe die BVG! BARBARA BOLLWAHN