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Streit um Fördermittel

FORSCHUNGSPOLITIK Die deutsche Forschungslandschaft ist im Umbruch. Die Helmholtz-Gesellschaft beansprucht die Führung

VON MANFRED RONZHEIMER

Die deutsche Forschungspolitik ist in Aufregung. Ein Positionspapier der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF), das die größte Wissenschaftsorganisation des Landes vergangene Woche verabschiedete, formuliert einen unverhohlenen Führungsanspruch bei der Gestaltung der künftigen Forschungslandschaft. Die Wissenschafts-Schwesterorganisationen Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Leibniz- sowie Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sind empört.

Nachdem die Milliarden aus dem Füllhorn der Exzellenz-Initiative ausgeschüttet sind, ist es mit der Harmonie unter den Forschungsmanagern vorbei. Nach einem Schlagabtausch im HGF-Senat krachte es Anfang der Woche bei einer Anhörung der Wissenschaftler im SPD-Parteivorstand in Berlin.

Die nach dem Physiker Hermann von Helmholtz benannte Forschungsorganisation ist der große Tanker unter den außeruniversitären Wissenschaftsinstitutionen in Deutschland. Die historischen Wurzeln reichen in die Atom-Euphorie der 50er Jahre zurück, als in Karlsruhe und Jülich große Kernforschungszentren errichtet wurden. Auch der Berliner Hahn-Meitner-Reaktor entstand in dieser Ära. Heute verteilen sich rund 34.000 Forscher und Mitarbeiter auf bundesweit 18 Helmholtz-Zentren.

Mit einem Jahresbudget von 3,4 Milliarden Euro – 90 Prozent stammen aus Bundesmitteln, 10 gibt das jeweilige Sitzland – wird zu den Themen Energie, Geologie, Gesundheit, Verkehr, Physik und bestimmten Schlüsseltechnologien geforscht. Den anderen Forschungsorganisationen (Leibniz-Gemeinschaft, MPG, Fraunhofer-Gesellschaft) steht jeweils nur ein Drittel dieser Summe zur Verfügung.

Als „durchaus selbstbewusst und weitreichend“, wie es in dem Papier „Helmholtz 2020 – Zukunftsgestaltung durch Partnerschaft“ heißt, hat die von dem früheren Präsidenten der Berliner Humboldt-Uni Jürgen Mlynek geführte HGF nun ihre Vision einer neuen Forschungslandschaft vorgelegt.

Im Mittelpunkt stehen thematisch die großen gesellschaftlichen Aufgaben, die „Grand Challenges“, denen sich die Forscher stellen müssen, wie der Klimawandel, große Volkskrankheiten und die alternde Gesellschaft. Allerdings werden sich nach Auffassung von Helmholtz mit einem „Weiter so“ der „bestehenden Strukturen und Konzepte“ diese Aufgaben nicht bewältigen lassen. Ein Strukturumbau wird gefordert, dem neue Finanzflüsse folgen werden.

Vorstufen dazu hat es in den letzten Jahren bereits gegeben, wie die Verschmelzung der TU Karlsruhe mit dem dortigen Helmholtz-Forschungszentrum zum „Karlsruher Institut für Technologie“ (KIT). In gleicher Weise wird derzeit in Berlin das Uniklinikum Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin fusioniert – der notorisch finanzklammen Charité ist der bestens ausgestatte Bundespartner hoch willkommen. Auch wenn die Neuordnung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern im Bundesrat gescheitert ist, soll die Berliner Medizin-Hochzeit noch im Oktober besiegelt werden.

Auf Abwege geriet die Bundeshilfe in Schleswig-Holstein, wo zum Ausgleich zum Erhalt eines Landesklinikums das Kieler Leibniz-Institut für Meeresforschung in ein Helmholtz-Zentrum umgewandelt wurde, weil der Bund dort zusätzliche 40 Prozent der Kosten übernimmt.

Eine solche „Helmholtzifizierung von Forschungseinrichtungen zur Entlastung klammer Länderhaushalte“, befand im vorigen Jahr die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), sei jedoch „wegen der Gefahr vermehrter politischer Koppelgeschäfte problematisch“. Das erste Breitenmodell für den Arrondierungsanspruch der HGF wurde schließlich 2011 mit der Bildung der „Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung“ umgesetzt. Medizinische Helmholtz-Zentren wurden mit einzelnen Uniklinika zur Erforschung einzelner Volkskrankheiten kombiniert. Die Angst der Hochschulmediziner vor Autonomieverlust wurde mit einem Geldschwall von 700 Millionen Euro Projektmitteln aus dem Hause Schavan weggespült. In ähnlicher Weise soll die Kompetenz der HGF („Das Ziel ist eine gestärkte und weitere systemische Verantwortung übernehmende Helmholtz-Gemeinschaft“) via Projektmittelvergabe auch auf andere Forschungsgebiete ausgedehnt werden.

Im Papier ist davon die Rede, das „Mandat“ der HGF so zu erweitern, dass „institutionsübergreifend … eigene Projektförderaktivitäten entfaltet“ werden können. Während derzeit noch das Bundesforschungsministerium entscheidet, wohin ein Großteil der außeruniversitären Fördermittel vergeben wird, wäre die künftige Entscheidungsinstanz: Helmholtz.

Gegen diesen einseitigen Machtzuwachs setzen sich die anderen Forschungsorganisationen zur Wehr. Der nächste forschungspolitische Ringkampf steht für November beim Gipfeltreffen der „Heiligen Allianz“ der fünf großen Forschungsorganisationen auf der Agenda.

Mit endgültigen Entscheidungen über die Neuordnung der Forschungslandschaft ist nicht vor der Bundestagswahl 2013 zu rechnen. Für das Frühjahr hat zudem der Wissenschaftsrat Empfehlungen für das künftige Wissenschaftssystem angekündigt. Auch dort wird es darum gehen, wie ab 2017 nach dem Auslaufen der Finanzierung für viele Projekte der Exzellenz-Initiative die so geförderten Leistungsträger in der deutschen Wissenschaft gehalten werden können.

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