: Die Rote Flora in Flammen
■ Wird das Symbol autonomen Wider-stands abgerissen? Von Kai von Appen
Ein warmer Abriß? In der Nacht zum Mittwoch wurde das autonome Stadtteilzentrum „Rote Flora“ am Schulterblatt durch ein Großfeuer weitgehend zerstört. „Das Obergeschoß ist völlig ausgebrannt, und das Dach ist eingestürzt“, so Feuerwehrsprecher Axel Holst. Nach Auskunft der Altonaer Bauprüfabteilung muß die Decke zum Obergeschoß „zwar noch überprüft“ werden, „akute Einsturzgefahr“ besteht aber nicht.
Das Untergeschoß wurde zudem durch das Löschwasser schwer in Mitleidenschaft gezogen. Vollständig vernichtet wurde das „Archiv der sozialen Bewegungen“, in dem das Feuer ausgebrochen war. „Sechs Jahre Arbeit umsonst“, so ein Mitarbeiter des Archiv-Kollektivs deprimiert. In dem ausgebrannten Raum befanden sich über 1000 politische Plakate, 15.000 Broschüren und unzählige Flugblätter der „Neuen Linken“; für die Archiv-MitarbeiterInnen „Dokumente von unschätzbarem Wert, die wir nie wieder beschaffen können.“
Kurz vor halb drei Uhr war das Feuer in dem Archiv im Obergeschoß ausgebrochen und hatte sich in Windeseile auf das gesamte Stockwerk ausgebreitet. Nach ersten Erkenntnissen der Brandermittler löste ein „technischer Defekt an einem elektrischen Gerät“ den Brand aus – ein Anschlag auf das selbstverwaltete Zentrum wird ausgeschlossen.
Als die drei Löschzüge der von einer Anwohnerin informierten Feuerwehr eintrafen, hatten sich die Flammen bereits durch die Holzkonstruktion ins Dach gefressen. Ein Bastler, der noch im Flora-Werkstattkeller an seinem Motorrad schraubte, hatte den Brand zunächst nicht einmal bemerkt und wurde erst durch die Löschtrupps aus dem Keller geholt. Die Doppeldachkonstruktion zwischen Erd- und Obergeschoß verhinderte, daß die Feuerwehr an die Brandherde herankam.
Erst nach vier Stunden hatten die 80 an dem Einsatz teilnehmenden Feuerwehrleute die Flammen unter Kontrolle gebracht. Die Nachlöscharbeiten dauerten bis mittags an, weil die Löschtrupps das Dach weitgehend abtragen mußten, um an die Glutnester zu gelangen.
Viele AnwohnerInnen und NutzerInnen der Roten Flora verfolgten bereits in der Nacht – viele mit Tränen in den Augen – die schwierigen Löscharbeiten. „Wir machen auf jeden Fall weiter“, beschworen die Rote-Flora-NutzerInnen in ihrer ersten Reaktion. Um möglichstbald mit der Instandsetzung beginnen zu können, fordern die BetreiberInnen die schnelle Bereitstellung finanzieller Mittel – auch aus der Feuerversicherung –, um das Dach und den ersten Stock wiederherstellen und das Gebäude zumindest winterfest machen zu können. Die Zukunft der Brandruine ist jetzt völlig ungewiß. Der Rote-Flora-Verein befürchtet, daß nun die Stadt den erheblichen Brandschaden nutzen könnte, den umstrittenen linken Stadtteiltreff abzureißen. Über eine Sanierung des über 100 Jahre alten früheren Variete-Theaters konnten sich Rot-FloristInnen und Stadtentwicklungsbehörde bislang nicht einigen. Der Versuch der Stadt, sich eine weitgehende politische Kontrolle über das autonome Zentrum zu sichern und die Räumlichkeiten durch die Etablierung einer Kindertagesstädte zu beschneiden, war bei den Rot-FloristInnen auf heftigen Widerstand gestoßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen