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Himmlische Saisonarbeiter

■ Alle Jahre wieder: Riesiger Bedarf an Weihnachtsmännern / Der rotweiße Animateur bringt nicht nur Kinderaugen zum Strahlen Von Polly Schmincke

„So wie jeder Arbeitstag seinen Höhepunkt hat, nämlich das gemeinsame Mittagessen in der Kantine, muß auch jede Betriebsweihnachtsfeier ihren Höhepunkt haben: der Auftritt des Weihnachtsmanns.“ Jörn, im zivilen Studentenleben bartlos und eher schmächtig, weiß Bescheid. Seit sieben Jahren beglückt der 29jährige Weihnachtsfeierwillige mit seiner rotweißen Verkleidung: „Da kann der Chef mal zeigen, was er für seine Leute investiert.“ Jörn gehört zum festen Stamm nebenberuflicher Nikoläuse, die, alle Jahre wieder, vom Arbeitsamt vermittelt werden.

Weihnachtsmann als Prestigeobjekt? „Klar, da geht es knallhart um Motivation der Mitarbeiter“, ist sich der Profi in Sachen himmlische Feste sicher. Auf diesen Feiern können alle kostenlos saufen und „eine Witzfigur mit Zipfelmütze amüsiert sie auch noch mit Weihnachtsgeschichten“. Schauspielerisches Talent und ein fahrbarer Untersatz sind Voraussetzungen für den saisonbedingten Nebenjob, dafür wird auch nicht schlecht gezahlt: mindestens 150 Mark, bei mehreren Stunden bis zu 350 Mark müssen für die Betriebsfeier mit rotweißem Animateur hingeblättert werden – obwohl „oft kein Schwein zuhört“. Die Anfangsinvestition für Bart und Kutte rentiert sich schnell, denn die Nachfrage ist größer als das Angebot.

Schließlich bieten Weihnachtsmänner den Firmen nicht selten die tolle Gelegenheit, ihre Werbegeschenke loszuwerden. Da muß dann der Star des Abends „häßliche bedruckte Korkenzieher und all so'n Müll“ aus seinem Sack holen und freudestrahlend verteilen. „Die Geschenke für die Frauen sind meist lilafarben verpackt, damit ich das nicht verwechsle“, verrät Jörn ein pfiffiges Geheimnis.

Hart muß ein Auftritt beim Blumengroßmarkt gewesen sein. Morgens um vier Uhr war der Termin. Für seine „unendlich traurigen Weihnachtsmärchen“ haben sich die Arbeiter eher weniger interessiert. Dafür mußte er an jedem dritten Stand einen Korn kippen: „Da biste natürlich irgendwann selber breit.“ Aber was tut ein segenbringender Rentierfahrer nicht alles, um seine Menschenkinder bei Laune zu halten: „Die wollen doch auch nur mal einen Tag glücklich sein.“ Fragt sich nur, wie er um zehn Uhr den Termin beim Schwimmbad und hinterher die Show im Kindergarten hinbekommen hat.

So richtig freut sich Saisonarbeiter Jörn auf die Familientermine, an Heiligabend oft zehn hintereinander. „Da kommen die ganzen alten Erinnerungen hoch.“ Gestört wird solch heiliger „Kurzschluß zur eigenen Kindheit“ allerdings manchmal durch den schon früh gut betankten Vater, der den Besucher mit dem langen Bart volltrunken an der Tür empfängt, durch Fernseher, die neben dem Weihnachtsbaum dröhnen oder durch neonhelle Scheinwerfer, um gute Videoaufnahmen zu machen. „Die sozialen Verhältnisse kriegt man schnell mit. Draußen in den schönen Einfamilienhäusern herrscht schon meist eine gemütlichere Stimmung als in den Hochhäusern von Steilshoop.“ Tja, auch der Weihnachtsmann kann sich eben nicht alles aussuchen.

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