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Das Leuchten in der Grotenburg

Größer können Gegensätze kaum sein. Im heimischen Hamburg erleuchtet seit Wochen die messianische Lichtgestalt des Uwe Seeler das weite Rund des Volksparkstadions. Und der in der Mediengunst wieder zur Nummer zwei mutierte Lokalrivale aus St. Pauli kickte Freitag abend vor 9 857 Zuschauern in der dämmerigen Heimstatt der fleischgewordenen Mittelmäßigkeit („Jede Straßenbahn hat mehr Anhänger als der KFC Uerdingen“, wird gerne gelästert): dem Grotenburg-Stadion zu Krefeld.

Dies tat der FC letztendlich sehr erfolgreich. Dabei sah am Anfang alles danach aus, als würden die Braun-Weißen auch in Krefeld die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Die Paulianer spielten gefällig, waren sogar eindeutig feldüberlegen, vergaben jedoch einmal mehr allerbeste Torchancen. Und bei den Gegentreffern war Libero Dirk Dammann nicht im Bilde.

Doch anders als in den Spielen zuvor bewirkte der zweimalige Rückstand bei den jungen Spielern am Freitag abend eine Trotzreaktion. Statt sich wie zuletzt auf den erneut überragenden Carsten Pröpper zu verlassen, unterstützten sie dessen Offensivbemühungen. Noch vor der Pause gelang durch André Trulsen und Thomas Sobotzik der Ausgleich. Nach dem Seitenwechsel zeigte der FC dann eine Leistung, die an die spielerische Höchstform vom 4:2 in Gladbach erinnerte. Nach klugem Direktpaßspiel und schnellen Rochaden erzielten Jens Scharping und noch zweimal Sobotzik hübsche Tore.

Nach diesem überzeugenden Sieg und einem neunten Hinrundenplatz dürfte manch drängende Frage in den Hintergrund getreten sein: Was passiert, wenn einer der beiden Manndecker ausfällt und mit Schlindwein und Caligiuri zwei Kicker ranmüssen, die ihren direkten Gegenspieler nur dann beschatten können, wenn der die 100 Meter in 18 Sekunden läuft? Was geschieht, wenn sich ein Stürmer verletzt – in Uerdingen saß kein einziger auf der Auswechselbank? Der Wechsel von Offensivkraft Uwe Wegmann aus Kaiserslautern ist bislang nur ein Gerücht.

All dies interessierte am Freitag niemanden. Der Gäste-Anhang wollte ausgiebig feiern, was die ausgelassenen Fans auch taten. Es war ein Leuchten auf den Rängen, als ob auch der FC einen Messias dabeigehabt hätte. Oder zumindest etwas Heilandähnliches – von wegen der Gegensätze. C. Ruf

KFC Uerdingen: Dreher – Grauer – Paßlack, Dogan – Lusch, Steffen, Jüptner, Wedau, Heintze – Krieg (77. Yankow), Meijer

FC St. Pauli: Thomforde – Dammann – Trulsen (76. Springer), Stanislawski – Sobotzik, Hanke, Pröpper, Schubert (89. Becker), Dinzey – Driller, Scharping (90. Schlindwein)

Tore: 1:0 Steffen (6.), 1:1 Trulsen (10.), 2:1 Heintze (36.), 2:2 Sobotzik (41.), 2:3 Sobotzik (53.), 2:4 Scharping (74.), 2:5 Sobotzik (88.)

Gelbe Karten: Meijer / Trulsen (wie immer)

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