: Jetzt darf er wieder, Gott sei Dank!
■ Ausstellung niederländischer Kirchenbilder aus dem 17. Jahrhundert in der Kunsthalle
In einer kurzen Phase frühbarocker Malerei wurden in Holland die Innenräume und Besucher der von katholischen Götzenbildern gereinigten Kirchen zum Thema der Malerei. Diese Bilder fallen in jedem Museum auf und bleiben im Gedächtnis, obwohl sie ziemlich selten sind. Mit sieben Kircheninterieurs besitzt die Hamburger Kunsthalle relativ viel davon, weitere dreizehn aus zwölf anderen Sammlungen sind jetzt für eine Ausstellung dazugekommen.
Architekturmalerei gibt es seit der Renaissance, und Stadtansichten werden im 18. Jahrhundert beliebt, aber für wenige Jahrzehnte um 1650 werden von kaum mehr als fünfzehn Malern in Haarlem und Delft die Innenräume von Kirchen abgebildet. Dabei ist bis heute nicht klar, was eigentlich der genaue Grund dafür war. Je tiefer man sich mit den Bildern beschäftigt, desto merkwürdiger werden sie. So sind die Innenräume weit mehr als realistische Ansichten. Manche Blickwinkel sind, wie sich noch heute vor Ort überprüfen läßt, mit dem Auge gar nicht erfaßbar, sie setzen mindestens ein damals noch nicht erfundenes Weitwinkelobjektiv voraus.
Auch sind den Bildaufbau störende Säulen statikwidrig fortgelassen, Ausstattungsdetails mal nicht erfaßt, mal hinzugefügt. Emanuel de Witte malt schließlich auch vom Abbild ganz befreite Raumphantasien. Einfach wäre die Vorstellung, hier calvinistische Andachtsbilder zu haben, in denen die von allem Kultzierat befreite Architektur der Kirche symbolisch für die Gemeinde steht. Doch pissende Hunde, indirekt zitierte Heilige und eindeutig politische Anspielungen komplizieren die Bilder.
In der Zeit fundamentaler religionspolitischer Auseinandersetzungen zwischen den christlichen Gruppierungen hat jedes Detail eine Bedeutung. Säugende Mütter werden zur verweltlichten Darstellung der traditionellen Allegorie der christlichen Caritas, und eine bloß im Hintergrund gemalte Orgel macht Maler und Käufer kenntlich als Parteigänger der „Orgelisten“, die wenigstens die Musik nicht aus dem Gottesdienst verbannen wollten.
Steht gar die goldene Statue der „Freiheit“ vom Grabmal des verehrten Statthalters Wilhelm von Oranien im Bildzentrum, braucht man nach religiösen Bildinhalten kaum mehr zu suchen. Das stille Bild von Gerard Houkgeest wird zur politischen Position.
Spätere Besitzer ließen dann aber die störenden und unsittlichen Details übermalen. So stand der urinierende Hund jahrhundertelang bloß noch unbeteiligt rum. Nach neuester Restaurierung darf er jetzt wieder – und das nicht nur in der Kirche, sondern sogar im Museum.
Hajo Schiff
Kunsthalle, bis 19. Februar, Katalog 16 Mark
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