Freiheit mit radikalem Kontaktverbot

■ City für „radikal“-Solidaritätsdemo tabu / Beschuldigte melden sich zu Wort Von Marco Carini

Nix Jungfernstieg, nix Gänsemarkt. Die bundesweite Samstag-Demo „gegen die Kriminalisierung linksradikaler Strukturen“ (12.30 Uhr ab Moorweide) erhielt gestern von der Polizei City-Verbot. Über den Valentinskamp soll der Zug aus der Innenstadt geleitet werden. Das letzte Wort hat nun das Hamburger Verwaltungsgericht.

Die Demo-OrganisatorInnen kündigten gestern an, sie seien „nicht bereit, auf menschenleeren Straßen zu demonstrieren“. Sollte es beim Verbot bleiben, würden „die vielen tausend DemonstrantInnen Wege finden, ihre Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen“.

Am besten mit mehreren Parallelaufmärschen. Denn sonst dürfte nur einer der vier Männer, die angeblich an der Linksaußen-Zeitschrift „radikal“ mitgearbeitet haben – und vergangene Woche aus der Untersuchungshaft entlassen wurden –, für die Aufhebung seines Haftbefehls mitdemonstrieren. Der Grund: Die „Viererbande“ wurde nur unter der Bedingung auf freien Fuß gesetzt, daß sie keinen Kontakt untereinander aufnimmt – weder direkt noch über Dritte. Sonst droht sofort erneute Haft.

Diese Farce wurde gestern perfekt in Szene gesetzt. Auf der Pressekonferenz der „Soligruppe Hamburg“ zum radikal-Verfahren mußten die anwesenden Beschuldigten, der Lübecker Andreas Ehresmann und der Rendsburger Ralf Milbrandt, per „Trennscheibe“ und Ohrenschutz vor einander „geschützt“ werden – so daß sie den anderen weder hören noch sehen konnten. Wer von den beiden gerade nicht redete, mußte deshalb einen Kopfhörer aufsetzen – bundesdeutsche Realsatire vom Feinsten.

Noch haben die beiden Freigelassenen – deren Haftbefehl nur ausgesetzt, nicht aufgehoben ist – Probleme, „die Reizüberflutung hier draußen zu verarbeiten“. Sechs Monate Haft, fast ohne Kontakt zur Außenwelt, zu FreundInnen und Eltern, ja selbst zu Mitinhaftierten, lassen sich nicht einfach abschütteln. Das Kontaktverbot untereinander bedeutet eine neue Form der Isolation. Andreas Ehresmann: „Diese Auflage heißt, daß ich mich in Hamburg nicht aufhalten darf, weil ich es nicht ausschließen kann, daß ich Dritten über den Weg laufe, die Kontakt zu Ralf haben.“

Das Damoklesschwert der Anklage und einer erneuten Haft trübt die „Freude, endlich aus dem Knast raus zu sein“. Denn die Bundesanwaltschaft sieht den „dringenden Tatverdacht“ bei allen Verdächtigten durch ihre „weiteren Ermittlungen verstärkt“. Für die Ehresmann-Verteidigerin Gabriele Heinecke besteht der Haftbefehl hingegen „nur aus reiner Luft“. Ein „unzulässiger Lauschangriff“ auf ein angeblich konspiratives radikal-Redaktionstreffen und die Behauptung, die „radikal“ würde nur in der Absicht produziert, „terroristische Vereinigungen“ zu unterstützen, seien „juristisch haltlos“.