■ Kommentar: Nicht Kaisers Bart
Immer wieder der alte Trick: Erst wird mit großem Spektakel eine neue Anlage in Betrieb genommen wie das Video-Überwachungs-Center am Hauptbahnhof. Angeblich, damit sich dort anständige BürgerInnen sicherer fühlen können und die Drogenszene unsicherer fühlen muß. Die Möglichkeit von Mißbrauch oder staatlicher Kontrolle wird von vornherein und ausdrücklich ausgeschlossen.
In Wahrheit wird der Öffentlichkeit aber nur Sand in die Augen gestreut. Schnell kommen Polizisten auf den Gedanken, daß solche Anlagen ja auch ganz nützlich für Überwachung und Bespitzelung sein können. Die Bedenken der Datenschützer gegen eine Vernetzung von privaten Sicherheitsdiensten und polizeilichen Organen werden dadurch ausgehebelt, daß kurzerhand neue Rechtsgrundlagen wie das Sicherheits- und Ordnungsgesetz zusammengezimmert werden, auf daß Recht werde, was zuvor Unrecht war.
Wurde diese Hürde genommen und den Datenschützern die Hände gebunden, steht gefälliger Nutzung Tür und Tor offen. Dann werden derartige Überwachungsanlagen auch ohne Vorliegen eines konkreten Verdachts von informationssüchtigen Uniformierten okkupiert, und hinterher will niemand so recht wissen, was sie dort gemacht haben und was sie mit ihren Erkenntnissen anfangen.
Es ist daher nicht nur ein Streit um des Kaisers Bart, ob offiziell oder inoffiziell die Anlage von Polizisten genutzt worden ist. Es ist eine Frage der rechtlichen Hygiene. Die Polizeileitung hat zu verhindern, daß FahnderInnen mit Elitedenken unkontrolliert ihr eigenes Süppchen kochen können.
Kai von Appen
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