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Genossen, auf in die Große Koalition!

■ Berliner SPD-Parteitag wird sich salomonisch entscheiden

Berlin (taz) – Die Berliner SPD wird auf dem Weg zu einer neuen Landesregierung heute eine wichtige Weiche stellen. Gut 300 Delegierte sollen entscheiden, ob die Koalition mit der CDU fortgesetzt werden soll oder nicht.

Angesichts der Spaltung der SPD in Koalitionsbefürworter einerseits und Oppositionsbefürworter andererseits erwarten Parteikenner einen salomonischen Beschluß: Koalitionsverhandlungen ja, endgültige Entscheidung über die Fortsetzung der Großen Koalition aber erst, wenn die Ergebnisse der Gespräche auf dem Tisch liegen. Noch soll der Zeitplan gehalten werden, am 25. Januar kommenden Jahres einen neuen Senat zu wählen.

Doch schon drängen Koalitionsgegner wie der Parteilinke Landesschatzmeister Klaus-Uwe Bennetter auf eine Mitgliederbefragung. Dies könnte nicht nur den Zeitplan durcheinanderbringen, sondern auch eine Große Koalition verhindern. Denn bislang haben die mit der CDU im Vorfeld des Parteitags geführten Sondierungsgespräche kaum Ergebnisse gebracht.

Koalitionsgegner, die wie Weddings Bürgermeister Hans Nisblé auch dem rechten Flügel angehören, fühlen sich bestätigt: Die SPD soll sich nach ihrem schlechtesten Ergebnis in Berlins Nachkriegsgeschichte auf der Oppositionbank erholen und sich dort neu profilieren. Auch der ehemalige Innensenator Erich Pätzold macht Stimmung für die Tolerierung eines CDU-Minderheitssenats: „Ich habe in acht Jahren Opposition all den Schwachsinn verhindert, der jetzt in fünf Jahren Großer Koalition passiert ist.“

Die Befürworter der Großen Koalition, wie der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper oder die gescheiterte Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, wuchern dagegen mit ihrem stärksten Trumpf: Bei einem CDU- Minderheitssenat drohen Neuwahlen, die SPD könnte dann noch schlechter als mit den jetzigen 23,6 Prozent abschneiden – nichts wäre gerettet.

Die Parteispitze steht hinter dem Leitantrag des Vorstands, die Große Koalition fortzusetzen. In der Regierung will die SPD im Mai für eine erfolgreiche Volksabstimmung für die Fusion mit Brandenburg sorgen, das Haushaltsdefizit von jeweils zehn Milliarden Mark im laufenden und kommenden Jahr senken und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Obwohl erst nach Abschluß von Koalitionsverhandlungen über die Besetzung der Senatorensessel entschieden werden soll, bringen sowohl die SPD wie die CDU immer wieder alte und neue Namen ins Spiel. Und da die Zahl der 15 Senatorenposten auf zehn reduziert wird, bedeutet dies für manchen das Aus. Niemand hat allerdings daran Zweifel, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) im Amt bleibt.

Namen von außerhalb der Berliner Landesgrenzen sind nicht im Gespräch. Dafür wird wohl die erst Anfang vergangenen Jahres aus Hamburg kommende Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) wieder Senatorin werden. Um die Ost- und Frauenquote zu erfüllen, soll auch Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) erneut antreten. Der umstrittene Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) ist zwar als Wissenschaftssenator im Gespräch, hat aber wenig Chancen.

Als Newcomer wird der ehemalige Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder (SPD) gehandelt. Wird die Große Koalition fortgesetzt, will die Parteispitze den linken Flügel an der Regierungsbildung beteiligen, um diesen einzubinden. Die Berliner SPD droht ansonsten auseinanderzubrechen. Strieder wird als Finanzsenator gehandelt, doch noch ziert sich der ministrable Mann.

Ob Sozialsenatorin und Spitzenkandidatin Stahmer weiter mitregiert, wird dagegen immer fraglicher. Inzwischen wird der vermasselte Wahlkampf ihr doch ein wenig übel genommen. Sie hat sich so wenig profiliert, daß ihr nicht einmal mehr zugetraut wird, eine Große Koalition ausreichend stark zum Vorteil der SPD zu nutzen. Dirk Wildt

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