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Konsequenzen

■ betr.: Trittin droht Fischer“, taz vom 11. 12. 95, und vorherge hende Berichte und Kommentare

Offener Brief an die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen

Eine deutliche Mehrheit des Bremer Parteitages votierte gegen Militäransätze im Sinne von Kampfeinsätzen. [...] Fischer, und mit ihm ein nicht unbeachtlicher Teil unserer Bundestagsabgeordneten, haben bei ihrer Bundestagsentscheidung diese klare Mehrheit und den somit offensichtlichen Auftrag des Parteitages vollkommen ignoriert. Das hat nicht sonderlich viel mit Demokratie, von Basisdemokratie ganz zu schweigen, zu tun. Insbesondere die Tatsache, daß auch Fischer persönlich dem Regierungsantrag zustimmte, halte ich für verheerend.

Daß ein solches Problem auch eine Gewissensfrage ist, liegt auf der Hand. Aber die Abgeordneten haben auch die Mehrheitsentscheidung der Partei zu respektieren. Es wäre unverschämt, zu erwarten, daß jemand gegen sein eigenes Gewissen abstimmt. Ebenso unverschämt ist es jedoch, ohne Rücksicht auf Verluste, ausschließlich entsprechend der eigenen Überzeugung abzustimmen. Wenn Parteimehrheit und persönliche Überzeugung sich nahezu diametral gegenüberstehen, ist die Stimmenthaltung das Mittel der Wahl.

Wer meint, die Parteimehrheit konsequent ignorieren zu können, müßte letztendlich allein um ein Direktmandat zum Einzug in den Bundestag kämpfen, ohne Mitglied einer Partei zu sein. Ansonsten sind schon gewisse demokratische Mindestgepflogenheiten zu beachten.

Die Bundestagsfraktion muß die Konsequenzen aus dieser Abstimmung diskutieren. Es gibt zwei Wege, den Konflikt zu lösen: 1. Fischer gesteht öffentlich ein, daß sein Abstimmungsverhalten ein Fehler war, der Auseinandersetzungen zwischen der Partei und Teilen der Fraktion provozieren mußte. Oder 2. Falls er dazu nicht bereit ist, muß überlegt werden, ob er auch weiterhin geeignet ist, das repräsentative Amt eines Sprechers der Bundestagsfraktion zu bekleiden. [...] Sollte die Fraktion aus sich selbst heraus nicht in der Lage sein, diesen Konflikt zu lösen, müßte sich wohl ein Sonderparteitag damit beschäftigten, was jedoch die Gefahr einer Eskalation in sich birgt. [...] Wie Fischer und seine Freunde nun weiterspielen, entscheidet darüber, ob der Streit realpolitisch vernünftig beigelegt werden kann oder in einen fundamentalistischen Flügelkampf wie zu früheren Zeiten ausartet und alle Beteiligten und die Gesamtpartei beschädigt. Markus Strobl,

Mitglied B'90/ Grüne, Pankow

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