■ Mit den Entführten auf du und du
: Pfeile und Gewehre

Berlin (taz) – 14 Menschen wurden nach indonesischen Angaben am Montag in der entlegenen Provinz Irian Jaya entführt, sieben davon Ausländer. Sie befanden sich gerade in dem Dorf Vamena im Tal des Flusses Baliem im zentralen Hochland der Insel Neuguinea. Laut Informationen, die per Internet von Umweltschützern aus Djakarta eintrafen, „überfiel“ eine Gruppe der Separatistenbewegung Organisasi Papua Merdeka (OPM) das Dorf. Die Widerständler fanden überraschend die 14 Forscher vor und beschlossen, sie mitzunehmen.

Einziger Deutscher unter den Entführten ist Frank Momberg. Der 32jährige Hannoveraner hatte in Berlin Geografie studiert und war seit zwei Monaten als Angestellter des World Wide Fund for Nature (WWF) in Irian Jaya, wie der indonesische Teil Neuguineas von der Regierung in Djakarta genannt wird. Mit Momberg gefangen wurde sein niederländischer Kollege Mark van der Waal und dessen Bekannte Martha Klein, eine Unesco-Mitarbeiterin in Djakarta. Die beiden WWFler halfen gerade vier StudentInnen aus Cambridge, England, Daniel Start, Annette van der Kolk, Bill Oates und Anna McIvor. Die StudentInnen bereiteten eine biologische und völkerkundliche Expedition in das Gebiet vor.

Die OPM hält schon seit November zwei High-School-Studenten fest, die sie in der Provinzhauptstadt Jayapura entführt hatte. Sie fordert umgerechnet 17.500 Dollar Lösegeld, die indonesische Armee wandte sich bisher jedoch gegen die Erfüllung dieser Forderung. Die OPM kämpft zum großen Teil noch mit Pfeil und Bogen, weil sie von außerhalb keine Gelder erhält. Gewehre erhalten sie laut Angaben von regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) nur als Beute von überfallenen Soldaten.

Momberg und van der Waal wollten noch mindestens zwei Jahre vor Ort an der Einrichtung des Lorentz-Nationalparks arbeiten. Das 1,9 Millionen Hektar große Gebiet ist vielleicht die artenreichste Region des gesamten pazifischen Beckens. Es reicht von Gletscherregionen am 5.030 Meter hohen Berg Jaya in der zentralen Bergkette bis zu den Mangrovenwäldern an der Arafurasee im Süden und ist zu 90 Prozent mit Wald bedeckt. Nirgendwo gibt es so viele endemische Arten, also Lebewesen, die nur in dieser Region vorkommen.

Das Ziel des Projektes ist auch, die lokale Bevölkerung am Naturschutz zu beteiligen. Immerhin leben hier, in der östlichsten Provinz Indonesiens, 200 Völker mit völlig verschiedenen Sprachen. Sie sollen weiterhin über die Nutzung der lokalen Rohstoffe bestimmen. Holzeinschlag wäre auf dem geschützten Gebiet aber beispielsweise nur noch für den Eigenbedarf und nicht für den Export möglich. Die Zeit drängt. Die Regierung im 3.500 Kilometer entfernten Djakarta betreibt das ehrgeizige Programm „go East“, mit dem der „wilde Osten“ besiedelt und industrialisiert werden soll. Reiner Metzger