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Alptraum und Schmerzensschrei - betr.: "Produkt Museum", taz vom 7.2.1996

Liebe tazler und tazlerinnen, lieber Till Briegleb!

Seit mehreren Semestern besuche ich nun schon die von Dr. Rolf Wiese und Oliver Rump M.A. (beide vom Freilichtmuseum am Kiekeberg) am Hamburger Seminar für Volkskunde angebotene Reihe zum Thema „Museumsmanagement“, die seit diesem Semester als Schwerpunktstudiengang „Museumsmanagement“ im Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg als Modellversuch institutionalisiert wurde.

Hier sollen den Studierenden praxis- und zukunftsorientiert die Aufgaben und Probleme des Museumsmanagements vermittelt werden. In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche mit einhergehender geringerer öffentlicher Förderung von Museen (und anderer Kultureinrichtungen) steht dabei eine Sensibilisierung für wirtschaftliches Handeln (ökonomisch, effizient und effektiv) zur Erreichung der gesetzten Ziele (Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln) im Vordergrund, was die Erweckung eines Verantwortungsbewußtseins über die sich hieraus ergebenden möglichen kulturellen und sozialen Konsequenzen natürlich mit einschließt. Das scheint erst einmal einleuchtend zu sein, und umso befremdlicher wirken die in diesem Zusammenhang so oft geäußerten panischen Aufschreie, die ihren altehrwürdigen Musentempel auf dem direkten Weg nach Disneyland wähnen. Daß solche Alpträume aber offensichtlich auch Till Briegleb, Kulturredakteur der taz hh, um den wohlverdienten Schlaf zu bringen scheinen, überraschte mich denn doch. „Produkt Museum“ betitelte er – in vielen Augen sicher eine Provokation! – seinen Artikel / Kommentar zur Präsentation des neuen Corporate Designs des Museums für Völkerkunde. Hier stellt er – wenn auch nicht ohne ironischen Unterton – erst einmal sehr verständnisvoll die derzeitige Situation, in der sich der allgemeine Museumsbetrieb befindet, dar (wobei ihm allerdings ein kleiner aber nicht unbedeutender Denkfehler unterläuft: Die zunehmende Verselbständigung Ägenauer wäre: die angestrebte!Ü ist wohl eher als eine ÄnotwendigeÜ Konsequenz aus schrumpfenden Subventionen, härterer Konkurrenz und einer weiteren Demokratisierung von Bildung zu interpretieren).

Doch dann kommt besagter Schmerzensschrei, und vor Till Brieglebs innerem Auge verwandelt sich das altehrwürdige Völkerkundemuseum mit seinem etwas düsteren, angestaubten Charme in einen schrillen, lauten Vergnügungspark, wo die Bildung leider draußen bleiben muß! – Wieso wird eigentlich immer wieder „Wirtschaftlichkeit“ (im weitesten Marketing-Sinne) mit „Kommerzialisierung“ verwechselt? Und wieso wird bei einer genuß-vollen, erlebnis-reichen, eindrucksvollen Prä-sentation einer Sammlung immer gleich Oberflächlichkeit und Verlust des Bildungsauftrages herbeiorakelt? (Und wieso werden solche Mißverständnisse in einer derart unreflektierten Weise in einer im allgemeinen doch recht kritischen Zeitung wie der taz wiedergekäut?) Das erklärte Ziel der Verselbständigungsbestrebungen der Museen ist eine gesunde Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Daß dieses Ziel durchaus zu verwirklichen ist und letztlich sogar zu einem besucherorientierten und damit besseren Museum führen kann, zeigen z.B. die Erfahrungen des Nederlands Openluchtmuseums in Arnheim.

Zu einer Vertiefung des Themas empfehle ich die Lektüre des vom Freilichtmuseum am Kiekeberg veröffentlichten Tagungsbandes „Museumsmanagement. Eine Antwort auf schwindende Finanzmittel?“ (Hrsg.: Giesela und Rolf Wiese. Ehestorf 1994) oder ein Gespräch / eine Diskussion mit Herrn Dr. Rolf Wiese, Leiter des Freilichtmuseums am Kiekeberg.

Viele Grüße,

Thomas Overdick

Betr.: „Keine Chance für Atheisten“, taz v. 24./25.2.96

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