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Die alten Griechen hätten das Sparen kritisiert

■ Michael Rischke, Kaufmännischer Direktor der Diakonie, wirft dem Senat vor, mit seinem Sparkurs im Sozialbereich das Gegenteil zu bewirken: „Die Kosten steigen an“.

taz: Statt 130 Millionen Mark bekommen Sie 1996 nur noch 83 Millionen, um Alte, Obdachlose und Behinderte zu betreuen. 40 Prozent Mittelkürzung – droht jetzt der Fürsorgekollaps?

Michael Rischke: Es bedeutet zumindest für viele kleine Projekte den Kollaps, aber auch bei den größeren Trägern sozialer Dienste wird es dramatische Einschnitte geben.

Welche Fürsorgebereiche sind denn besonders betroffen?

Für Obdachlose steht weniger zur Verfügung, in der Altenpflege und beim Krankenpflegenotfalldienst, auch bei der Betreuung und Versorgung Aids-Kranker und den Selbsthilfeprojekten wird geknapst – es geht quer durch die soziale Versorgung dieser Stadt.

Wenn das Bonner Sparpaket durchgeht, haben Sie doch eher mehr zu tun.

Ja, dann kommen mehr Aufgaben bei weniger finanziellen Spielräumen auf uns zu. „Wer seine Alten und Kranken nicht achtet, dessen Gemeinwesen geht zugrunde“, so hätten die alten Griechen die Entwicklung beschrieben. Auf diesem Weg sind wir.

Um die verbleibenden Mittel zielgerichtet verteilen zu können, haben Senat und Wohlfahrtsverbände eine Kooperation vereinbart. Sie haben federführend für die Liga der Wohlfahrtsverbände den Vertrag mitverhandelt – trotzdem wollen Sie nun nicht unterzeichnen. Warum nicht?

Der Senat war bereit – um die drastischen Kürzungen aufzufangen –, Personal in seiner Verwaltung einzusparen. Die Aufgaben sollten an die Wohlfahrtsverbände verlagert werden. Das war ein guter Ansatz, geschieht aber offenbar nur zögerlich. Und wir sollen nun verpflichtet werden, die Kürzungsvorgaben unseren Einrichtungen selbst zu verkaufen. Wir tragen nach diesem Vertrag die politische Verantwortung für die Kürzungen. Es gibt zudem Klauseln in dem Vertrag, die das geschrumpfte Finanzvolumen weiter reduzieren – wir sollen etwa das Personal, das die Mittel auf unserer Seite verwaltet, aus den Zuwendungen für die Betroffenen erwirtschaften.

Sie tauschen in dem Vertrag die angebliche Planungssicherheit, von Einsparungen bis 1999 verschont zu bleiben, dagegen, daß die freien Wohlfahrtsträger unter die Knute des Staates kommen. Sie sollen dem Senat die Arbeit abnehmen, 40 Millionen Mark an Zuwendungsgeldern zu bewirtschaften – als Gegenleistung wird die entsprechende Senatsabteilung nicht etwa aufgelöst, sondern Ihnen als Wachhund auf den Hals gehetzt. Ist das freiwillige Selbstunterwerfung?

Die Liga der Wohlfahrtsverbände sieht diese Gefahr. Es gibt aber auch die politische Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen. Die Diakonie hat Vorschläge unterbreitet, um die gerade genannten Probleme zu beseitigen. Der Senat ist darauf nicht eingegangen. Unterhalb dieser Kompromißlinie sehen wir uns zu einer Zustimmung nicht in der Lage.

Wie sehen Sie den Vertrag im Kontext der Sozialstaatsdebatte?

Das ist eine Sozialstaatsreform, die den Verdacht nahelegt, daß die politisch Verantwortlichen sich Ihrer grundgesetzlichen Verpflichtung entziehen. Ich sehe eine Entwicklung, die die Kosten auf ein Vielfaches von dem steigen läßt, was jetzt vermeintlich gespart wird. Interview: Christian Füller

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