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Deutschland will Pharmafestung bleiben

Pharmakonzerne klagten vor dem Europäischen Gerichtshof vergebens gegen billige Import-Konkurrenz. Aber die Bundesregierung setzt sich weiter für überhöhte Medikamentenpreise ein  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Wer deutsche Arzneimittel günstig einkaufen will, muß ins Ausland fahren. Vor allem in Südeuropa werden identische Produkte häufig um 10 bis 30 Prozent billiger angeboten. Findige Unternehmen, wie die bayerische Eurim-Pharm, kaufen deshalb diese Medikamente im Süden preiswert ein, um sie nach Deutschland zu reimportieren.

Damit haben sie sich die erbitterte Feindschaft der deutschen Arzneimittelhersteller zugezogen. Eine Klage von sieben Pharmakonzernen, die auf ihr Markenrecht gepocht hatten, ging gestern vor dem Europäischen Gerichtshof zwar weitgehend zugunsten der Importeure aus. Zur gleichen Zeit steht allerdings in Bonn ein Gesetz vor der Verabschiedung, das ganz die Handschrift der deutschen Pharmahersteller trägt: Es soll die Verpflichtung der Apotheken zurücknehmen, billige Reimporte zu bevorzugen.

Ein typischer Fall: Eurim- Pharm kaufte in Frankreich in großem Stil günstig das Beiersdorf- Medikament „Kerlone“ auf und machte damit in Deutschland Beiersdorf Konkurrenz. In Frankreich wird das Blutdruckmittel allerdings in Packungen mit 28 Tabletten angeboten, während in Deutschland Packungsgrößen mit 50 oder 100 Tabletten üblich sind. Deshalb muß Eurim das Produkt umpacken: Die französischen Blisterverpackungen werden teilweise zerschnitten und anschließend in einen neuen Umkarton gesteckt.

Beiersdorf fand, daß die reimportierte Kerlone-Packung „schäbig“ aussehe und das Ansehen der Marke schädige. Außerdem könne es beim Zerschneiden der Blister zu Verunreinigungen der Kapseln kommen. Beiersdorf klagte gegen Eurim auf Schadensersatz und Unterlassung. Die Klage landete schließlich beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, weil EU-Markenrecht auszulegen ist. Dort wurde sie gestern gemeinsam mit sechs anderen Verfahren (geklagt hatten unter anderem auch die Konzerne Bayer und Boehringer) entschieden.

Der EuGH befriedigte die Kläger allerdings nur auf den ersten Blick. Er stellte zwar fest, daß sie „unordentliche“ Verpackungen und verunreinigte Pillen bei den reimportierten Produkten nicht dulden müssen. Die Importeure sind jedoch dann auf der sicheren Seite, wenn sie ihre Neuverpackung von einer Behörde genehmigen und überwachen lassen. Eurim-Pharma sieht sich bereits als Sieger des Rechtsstreits: „Über unsere Arbeit wacht die Regierung von Oberbayern. Dazu ist sie nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet.“

Große Sorgen bereiten Eurim- Chef Andreas Mohringer dagegen die Bonner Pläne, die heimische Pharmaindustrie vor ihren eigenen Billigexporten zu schützen. Erst 1989 waren die Apotheker im Zuge der Blümschen Gesundheitsreform verpflichtet worden, wo möglich günstig aus dem Ausland importierte Medikamente zu verkaufen. Um Kosten zu sparen, wollte damals die Bundesregierung dem deutschen Hochpreiskartell aus Herstellern, Großhandel und Apotheken zu Leibe rücken. In der Folge verdoppelte sich der Marktanteil der Importeure von einem auf zwei Prozent, weiteres Wachstum schien gesichert.

Inzwischen sind jedoch Standortargumente wichtiger als die Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Die Vereinigung forschender Arzneimittelhersteller hatte gedroht: „Wenn wir nur noch Preise wie in Italien oder Portugal erzielen, dann müssen wir eben auch dort produzieren.“ Über 100.000 Menschen arbeiten in der deutschen Arzneimittelindustrie, der exportstärksten der Welt.

„Dieser Rollback wird die Krankenkassen jedoch teuer zu stehen kommen“, warnt Mohringer. Der Eurim-Chef prophezeit rund 500 Millionen Mark Mehrkosten und 700 Millionen Mark entgangener künftiger Ersparnisse.

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