KURZKRITIK: DEE-UNG MOON ÜBER „DIE ANTIGONE DES SOPHOKLES“ : Mein Tod gehört mir
Geräuschlos und wie in Zeitlupe fallen milchweiße, faustgroße Seifenblasen von der Decke. Manche platzen, noch ehe sie den Boden berühren, auf und setzen einen Schwall Rauch frei. Ein magisch-schönes Bild für die stille Auflösung ins Nichts, das durch fast alle Szenen tropft.
Der Hintergrund von Brechts „Antigone des Sophokles“ aus dem Jahre 1947 ist das Massensterben des Krieges. Theben vs. Argos. Wer ist Freund und wer ist längst schon Feind? Kreon, der Herrscher Thebens, hat zu Beginn des Stücks seinen Neffen Polyneikes, den Kriegsdeserteur, ermordet und befohlen ihn unbegraben in der Sonne verrotten zu lassen. Wutentbrannt widersetzt sich Antigone, die Schwester des Getöteten, dem unmenschlichen Befehl. Patrycia Ziolkowska als Antigone ist in dieser Szene schlicht ein Ereignis. Aus Trauerarbeit wird ein Akt radikalen Widerstands: Selbstbehauptung und auslöschung zugleich. Mein Tod ist meine Sache, heißt es einmal.
In Dimiter Gotscheffs gleichzeitig strenger und manieristischer Inszenierung im Thalia Theater ist der Krieg längst in das Innere der Figuren gedrungen. Er durchzuckt ihre Körper. Der Text quillt aus ihnen hervor wie eine fremde Gewalt. Dabei scheint auf, was großes Theater zu bieten vermag: die Möglichkeit einer Erfahrung, an der alle vorgefertigten Sinnzuschreibungen zerplatzen wie Seifenblasen.
Und mit Antigones Tod zieht für einen Moment etwas Anderes, noch Selteneres über die Bühne: Heiner Müller, Gotscheffs Lehrer, nannte das einmal das Schweigen des Theaters.
Nächste Vorstellungen: 4., 8., 16. und 20. März, 9. April