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„Weniger ist mehr“

■ betr.: „Für ein ökologisches Wachstum“, taz vom 6.6. 97

Soll das Bruttosozialprodukt (BSP) nun sinken oder nicht? Für Grüne eigentlich eine relativ einfach zu beantwortende Frage. Auf der einen Seite muß es sinken, denn mit der alleinigen Zählerei des Geldwertes aller Güter, Dienstleistungen und Nutzungen (Miete, Pacht etc.), die in einer Volkswirtschaft in einem Jahr produziert, verbraucht, investiert oder gegen ausländische Erzeugnisse oder Geld aus dem Ausland eingetauscht werden, wird in der Tat nichts über die Qualität und ökologische Produktionsweise ausgesagt.

Jeder Autounfall erhöht das BSP, durch Abschleppkosten, Reparatur, Krankenhaus, Bestattungen etc.; jede Pille, die aufgrund von Streß am Arbeitsplatz verschrieben und geschluckt wird, jeder Säufer und Raucher erhöht das BSP; erfolgen Investitionen, um zerstörte Natur zu reparieren, freuen sich die Zähler des BSP ebenfalls; wird die entlohnte Haushälterin vom Auftraggeber geheiratet, so sinkt das BSP um die Höhe des Lohns, obwohl die Arbeit sich nicht geändert hat; die Schattenwirtschaft (Heimwerker, Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe bis hin zur „Schwarzarbeit“) wird überhaupt nicht erfaßt.

Es ist also problematisch, allein von den Preisen auszugehen, um zu einer brauchbaren Information über das ökologische Wachstum einer Volkswirtschaft zu kommen. Gerade Grüne versuchen doch seit Jahren, auf den qualitativen Aspekt einzugehen, der im Einzelfall ganz bestimmt auch heißen kann: „Weniger ist mehr“, auch bei der Betrachtung des BSP. Es ist phantasielos zu behaupten: „Ein Sinken des BSP bedeutet auf jeden Fall eine Verschärfung der Krise und damit Massenarbeitslosigkeit“, denn dieser Gedanke folgt allein der vorherrschenden Markt- und Wachstumslogik, ohne zu berücksichtigen, welche Einflüsse zum Beispiel Gewinne aus Rationalisierungsinvestitionen und Kapitaleinkünften haben, die nicht wieder investiert werden. Sicher ist auch das Steuer- und Sozialsystem mehr als nur reformbedürftig. Aber genauso dürfte die Frage erlaubt sein, welcher Zusammenhang zwischen Verteilung von Arbeit und Einkommen und dem Massenkonsum besteht, es sei denn, die Unkenrufe, die grüne Partei sei die FDP der 90er Jahre, stimmen... Jürgen Sosna, Bremen

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