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Archiv-Artikel

DIE DEUTSCHE BAHN SPART AN DER WARTUNG UND SCHADET SO DEN KUNDEN Verdienen am Verschleiß

Wer auf den Zug wartet, steht sich immer häufiger die Beine in den Bauch. Jeder vierte Schnellzug kommt nicht pünktlich. Vor allem das Schienennetz macht Probleme, räumt die Deutsche Bahn (DB) intern ein: gebrochene Gleise, gerissene Überlandleitungen und verklemmte Weichen.

Die DB hat ihre Reparaturen in diesem Jahr auf den Herbst konzentriert, damit die Fahrgäste während der Fußball-WM und des Papstbesuchs möglichst wenig belästigt wurden. Das rächt sich nun: Vieles, was während der Sommermonate nicht erledigt wurde, muss nun nachgeholt werden. Das alljährlich wiederkehrende Herbstlaub und einfrierende Weichen werden die Situation in den kommenden Wochen noch weiter verschärfen.

Doch viel dramatischer als die kurzfristigen Verschiebungen von Baustellen und schlechtes Wetter ist: die Bahn fährt seit Jahren auf Verschleiß. Nach und nach wird das nun offensichtlich. Es ist abzusehen, dass die Gleise in den kommenden Jahren immer maroder werden. Etwa 1,6 Milliarden Euro im Jahr wären nötig, um das Netz zu pflegen. Tatsächlich beträgt das offizielle Budget der DB dafür aber nur 1,2 Milliarden – und viele Bahnexperten glauben, dass das Unternehmen tatsächlich einen weitaus geringeren Betrag dafür ausgibt.

Dafür ist auch eine politische Fehlkonstruktion verantwortlich. Für die Instandhaltung der Schienen muss die Bahn selbst aufkommen, für Investitionen bekommt sie Geld aus dem Steuersäckel. Nicht nur der Bau von Neubaustrecken fällt darunter, sondern auch relativ aufwändige Reparaturen. Kein Wunder also, dass die DB möglichst viele Ausbesserungen als Investitionen verbuchen möchte und zugleich bei der Pflege spart.

Nach diesen Erfahrungen ist es absurd, dass die Politik der DB das Schienennetz auch künftig anvertrauen will. Selbst wenn der Staat weiter Eigentümer der Gleise bleibt: Warum sollte die DB sich künftig besser darum kümmern? Für Reisende sind die Aussichten trübe: Sie müssen immer länger auf zugigen Bahnhöfen warten oder werden sich gleich lieber ins warme Auto setzen.

ANNETTE JENSEN