: „Öko-Sünden konsequenter ahnden“
Viele sinnvolle Verordnungen, etwa beim Energiesparen, würden in der Praxis ignoriert, sagt BUND-Geschäftsführer Jarfe. Er kritisiert „schwammige Formulierungen“ im Koalitionsvertrag und die Trennung der Umwelt vom Verkehr
taz: Herr Jarfe, das Ressort Umwelt wird vom Verkehr abgekoppelt und wandert zu einer neuen Senatorin. Wertet Rot-Rot dieses Thema ab?
Andreas Jarfe: Ich sehe zumindest die Gefahr, dass das passiert. Viele Verkehrsthemen beeinflussen unmittelbar die Umwelt und umgekehrt. Denken Sie an die Debatte um Feinstaub, den im Straßenverkehr vor allem alte Dieselautos ohne Filter produzieren. Im Koalitionsvertrag wirkt diese Trennung manchmal etwas willkürlich. Wie da die Zusammenarbeit funktioniert, muss sich aber letztlich in der täglichen Umsetzung zeigen.
Wird sich die neue Umweltsenatorin, Katrin Lompscher von der PDS, gegen die gestandene SPD-Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer durchsetzen können?
Ich will da gar keinen Konflikt konstruieren. Die Tatsache, dass jetzt zwei Parteizugehörigkeiten mitentscheiden, macht eine Kooperation zwar nicht unbedingt einfacher. Aber klar ist: Die neue Umweltsenatorin und die Verkehrssenatorin müssen sehr eng zusammenarbeiten, anders geht es nicht. Es könnte natürlich sein, dass Frau Junge-Reyer anfangs stärkere Akzente setzt, auch im Umweltressort – sie ist schließlich wesentlich besser mit der Verwaltung vernetzt.
Zu den Inhalten: Ist die Umwelt im neuen Koalitionsvertrag ausreichend präsent?
Mir ist das Kapitel zu knapp gehalten. Vieles bleibt zudem schwammig. Ich nenne mal zwei Beispiele: Das Abfallwirtschaftskonzept, auf das sich die Koalition ausdrücklich bezieht, hat das Parlament noch nicht einmal beschlossen. Und die Aussage, Überläufe aus dem Abwassersystem nach starken Regenfällen in die Gewässer auf ein „ökologisch verkraftbares Maß zu reduzieren“, widerspricht sogar geltendem EU-Recht. Ungeklärte Abwässer in Flüsse zu leiten ist verboten, nichts anderes beinhaltet aber dieser Satz.
Zusätzliche Kläranlagen sind eben teuer. Ist nicht verständlich, dass ein verschuldetes Land Abstriche machen muss?
Sicher, es gibt ja auch eine Reihe positiver Ansätze. Es ist zum Beispiel wichtig, dass sich die Koalition stark für die Umweltbildung von Kindern in der Grundschule einsetzt. So sensibilisiert die Politik die künftigen Entscheider. Aber Rot-Rot müsste gar nicht mehr Geld ausgeben, sondern es nur konsequent umverteilen: Wenn man auf den Weiterbau des Stadtrings A 100 verzichten würde, könnte man anderswo sinnvoll investieren. Und zuletzt würden wir uns mehr Konsequenz bei der Ahndung ökologischer Sünden wünschen.
Inwiefern?
Es gibt zwar eine Menge sinnvoller Verordnungen, sie werden aber in der Praxis oft ignoriert. Wer etwa ein Haus gründlich saniert, muss laut Energieeinsparverordnung eine Wärmedämmung vornehmen. Ich bekomme jedoch immer wieder Anrufe von Handwerkern, die erzählen, dass das nicht stattfindet. Da muss Rot-Rot härter durchgreifen.
INTERVIEW: ULRICH SCHULTE