Durchs Dröhnland: Kajal in Breitwand
■ Die besten und schlechtesten, wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der Woche
Der selbsternannte „Minister of Information“ mag in seinem fast melodielosen, wortreichen Vortragsstil durchaus als Großvater des Rap durchgehen, mit den aktuellen Mainstream-Befindlichkeiten des Genres dürfte er sich nicht allzu wohl fühlen. Gil Scott-Heron ist – trotz aller Versuche, ihm Vorreiterrollen anzudienen – weiterhin doch vor allem Gil Scott- Heron, inklusive schleppendem Gesang, zuviel Politik für einen unterhaltsamen Abend und dann doch wieder dem guten Groove zur rechten Zeit.
15.5., 22.30 Uhr, Miles, Greifswalder Straße 212/213, Prenzlauer Berg
Gar nicht britisch singt Rachel Morrison so daher. Früher einmal war sie bei Bliss, nun allein, flüstert und schmelzt sie sich vorzugsweise durch Balladen, verspricht ihre Versprechen zu halten, läßt den Herzschmerz hochleben, während ihre Band so rumtröpfelt, als wäre Tucson, Arizona, ihr Nirwana.
15.5., 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte
Mit seinem Duo Cardinal war der gebürtige Australier Richard Davies nicht davon abzuhalten, reichlich Geigen und Bläser zu verwenden. Seit er allein ist, beschränkt er sich meist auf das Allernötigste. Gitarre, Bass, Schlagzeug, alles recht spartanisch, mal eine Background-Stimme, die dann schon wie Luxus wirkt. Trotzdem hat das nicht viel mit dem üblichen Singer/Songwriter-Kram zu tun. Man vermißt nichts, eher schon sind die Wärme, die Davies' Stimme ausstrahlt, und das vorsichtige Geklimper der Gitarre fast zu nah am Kitsch. Und seine Band beherrscht einen unsagbar entspannten Rhythmus, bei dem Rockmusik zum Wiegenlied wird. Vor ein paar Melodien muß man sich wirklich in acht nehmen: Die kommen so harmlos daher, aber fressen sich unwiederbringlich im Hirn fest. In der Beziehung erinnert Davies sogar ein wenig an seine unvergessenen Landsleute Go-Betweens.
16.5., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Der gute Mann ist eine große Hoffnung seiner Plattenfirma, er möge die Errungenschaften der aktuellen Elektronika massenwirksam umsetzen. Deejay Punk-Roc aus New York ist in der Lage, einen sanft modulierenden Track, der fast schon ins Esoterische lappt, trotzdem mit ausreichend Funk auszustatten. Meditieren ohne einzuschlafen, tanzen ohne Herzattacke, das riecht doch nach Konsensmusik für den leicht in die Jahre gekommenen Tanzbodenderwisch.
16.5., 24 Uhr, Delicious Donuts, Rosenthaler Str. 9, Mitte
Die Firma, die ihre ersten Platten veröffentlichte, hieß Deathwish Office. Das ist jetzt auch schon zehn Jahre her, weswegen Love Like Blood, die sich nach dem größten Hit von Killing Joke benannten, nach einer zweijährigen Pause sich neuerdings zu in Ehren ergrauten, alten weisen Männern des Gruftrocks stilisieren. Das steht ihnen fast so gut wie ihren Fans der Kajal unter den Augen. Also versuchen die Gitarren immer noch einen auf Breitwand zu machen, ist der Gesang ganz tief und die Texte natürlich bedeutungsschwanger. Da finden sich auf dem Spiegel hingeschmiert schon mal die Wörter Sex und Selbstmord, morgen könnte es zu spät sein, und überhaupt sind tödliche Faszinationen schwer angesagt. Wirklich hübsch ist es allerdings, wenn sie wie The Mission klingen, nämlich wie eine halbe Karikatur des Ganzen, daß man zwar sich noch der eleganten Depression hingeben kann, aber sich nicht allzu ernst dabei nehmen muß.
17.5., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
John Cale gehört zu den beneidenswerten Menschen, die nichts falsch machen können. Oder zumindest im Scheitern immer noch Größe besitzen. Das kann man leider nicht lernen. Nur immer wieder anhören. Diesmal mit den Gitarristen Mark Deffenbaugh und Lance Doss.
18.5., 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg
„Beautiful music“ sei „Big Calm“, die letzte Platte von Morcheeba, befand Vibe. Mehr gibt es auch kaum zu sagen über das britische Trio, das so erfolgreich wie kaum jemand sonst TripHop mit Rock verschmolz. Auf dem Debut „Who Can You Trust?“ fanden sich allerdings noch einige paranoide Ecken und Kanten, „Big Calm“ ist nurmehr wundervoller Pop.
18.5., 21 Uhr Pfefferberg
Dies hier sind die 60er. Aber nicht die lustigen, dängeligen, die mit den hübschen Melodien und den Pilzfrisuren. Nein, die 60er hier, das sind die bösen, die drogengeschwängerten, die mit den ellenlangen Gitarrensoli, den noch längeren Schlagzeugsoli, den gar nicht mehr enden wollenden Jam-Sessions und den Schlaghosen, über die man selber stolperte. Also ziemlich genau das Zeug, an das man ganz bestimmt nicht mehr erinnert werden wollte. Dann kamen Ween und haben uns dran erinnert. Und wir fanden es gar nicht mehr so schlimm. Eher amüsant. Vielleicht ist deshalb jetzt die Zeit reif für die Dandy Warhols, die ganz ernsthaft das wieder ausbuddeln, was Ween eher humoristisch noch mal übertrieben haben. Bei dem Quartett aus Portland, Oregon, ist das Wah-Wah-Pedal kein Lacheffekt und Psychedelik kein Schimpfwort. In ihrem programmatischen Song „Not If You Were The Last Junkie On Earth“ stellen sie zwar kategorisch fest, „Heroin is so passé“, aber im Quietschen der Hammond-Orgel ist die Faszination am Gegenstand unüberhörbar. Aber natürlich sind die Dandy Warhols mehr als nur eine Geschichtsstunde, aber die halt auch. Ansonsten sind sie zu haben nicht nur für Insiderscherze, die auch durchaus besser sein können als ihr Name, aber auch für eher derbe Witze wie „Hard On for Jesus“.
20.5., 21 Uhr, Knaack Thomas Winkler
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