Hallo Mami!

Ich sitze gerade an meinem Roman und brauche einen kleinen Break. Tatsächlich bildet sich meine kleine Wohnung immer mehr als Kreativitätspusher heraus! Ich trete vor die Tür und in eine andere Welt ein! Die Leute sind so locker und offen! Die fahren mit dem Rad, nicht, weil der SUV zur Wartung ist – sondern weil sie gar keinen haben! Hier kann ich auch meine Lieblings-Gucchi-Teile aus der letzten Saison noch mal anziehen, bei uns im Viertel wäre das so, als würde man Erbrochenes essen. Natürlich ist die Schanze kein Ort für die Kinder. Diese sogenannten Autonomen, die vielen Kneipen, die politischen Parolen an den Hauswänden, und dann ist hier jeder, also wirklich jeder, tätowiert – aber auf mich hat das eine irre inspirierende Wirkung! Ich liebe diesen Shabby-Chic!

Ganz in ist es, für Lampedusa zu sein. Also für die Flüchtlinge aus Afrika und gegen die Politik, die nicht ins Land zu lassen. Natürlich finde ich nicht, dass jeder Afrikaner hier leben können soll, aber ich finde es wichtig, für die Zeit, in der ich hier lebe, Teil der Gemeinschaft zu sein. Ich habe für heute Nachmittag für 80 Mann Sacher-Torte bestellt. Das ist, liebe Mami, schon ein sehr gutes Gefühl, zu helfen. Abzugeben. Zu teilen. Das muss ja zu Hause keiner wissen. Sonst laden uns die Osterhoffs wieder ewig nicht ein! Was so schlimm auch nicht wäre, dann würde man einmal umhinkommen, die neuen Bilder loben zu müssen. Susanne kauft, glaube ich, zu jeder Monatsblutung ein Gemälde. Und immer was mit Blau. Und immer alle gleich. Wenn da drei neue hängen, weiß ich nach Bild zwei immer gar nicht mehr, was ich noch sagen soll.

Ich bin ja am überlegen, ob ich die Wohnung nicht einfach behalte, so dass ich, wenn ich mal einen Break brauche oder einen creative push, hierherkomme. Das wird nicht oft sein, alle sechs Wochen vielleicht. Aber wie gesagt, 1.100 Euro kalt für zwei Zimmer, das ist so billig, da müsste ich ja mit dem Kleidersack gepudert sein. So, meine liebe Mamumski, ich muss jetzt aufhören. Die ersten Seiten sind schon bei meiner Agentin. Die findet „Sternschanze“ ganz, ganz toll. Es sei so authentisch, sagt sie. Das freut mich. Ich war ja auch wirklich ganz nah an der Basis.

Kuss, Illi

Abschriften: Silke Burmester