„Strafen, die nicht abschrecken, kann man vergessen“

■ Gespräch mit Wolfgang Maennig, dem Vorsitzenden des Deutschen Ruderverbandes, über die Zukunft der Olympischen Bewegung, die Schwierigkeiten der Dopingbekämpfung und die Reformbedürftigkeit des Internationalen Olympischen Komitees

taz: Politiker und Sponsoren haben klare Forderungen nach einer Demokratisierung des IOC und effektiver Dopingbekämpfung gestellt. Bisher mit mäßigem Erfolg. Wann wird dem Spitzensport der Geldhahn zugedreht?

Wolfgang Maennig: Nicht alle, aber viele Sportverbände haben verstanden, daß sie ihre Existenzgrundlage riskieren, wenn sie nicht entsprechende Maßnahmen ergreifen. Insofern habe ich Hoffnung, daß die meisten durch die letzten Skandale wachgerüttelt sind und klar durchgreifen.

Blieben immer noch jene, die nicht wachgerüttelt sind?

Bei solchen Verbänden kann ich mir durchaus vorstellen, daß eine Streichung von Geldern angedacht wird.

Welche anderen Hebel wären denkbar.

Der Staat kann Gesetze erlassen. In Frankreich ist das passiert, auch in Deutschland könnte der Staat Dopinggesetze beschließen, die über das bisherige Arzneimittelrecht hinausgehen.

Ist für die Ruderer der Kompromiß der Dopingkonferenz von Lausanne nachvollziehbar, der bei schweren Vergehen zwar eine Regelsperre von zwei Jahren vorsieht, es aber Verbänden erlaubt, bei außergewöhnlichen Umständen diese Strafe zu modifizieren?

Die Ruderer haben ja sogar eine lebenslange Sperre bei Erstvergehen, und wir sind mit der beschlossenen Regelung nicht glücklich. Das Argument des Radsportverbandes, daß zwei Jahre ein Berufsverbot bedeuten würden und deshalb zu drastisch wären, zieht nicht. Die Strafen sollen ja gerade so drastisch sein, daß sie eine abschreckende Wirkung haben. Strafen, die nicht abschrecken, kann man vergessen.

Wie könnte man doch noch zu einer einheitlichen Mindestsperre kommen?

Es gibt die Überlegung, solche Sportarten langfristig aus dem olympischen Programm zu streichen. Auch Radfahrer müssen akzeptieren, daß es im olympischen Sport Regeln gibt, an die sich alle zu halten haben.

Ein Olympiaausschluß würde Sportler für die Sünden der Verbänden bestrafen.

Auf der anderen Seite könnte es Druck von den Sportlern geben. Saubere Sportler können sowieso nicht verstehen, warum die Verbände so ein großes Problem mit der Mindeststrafe haben.

Die Dopingagentur wurde in Lausanne noch nicht gegründet, weil der Vorschlag des IOC, sie zum großen Teil mit Sportfunktionären zu besetzen und Samaranch an die Spitze zu stellen, bei den Sportministern auf krasse Ablehnung stieß. Wie sollte diese Agentur aussehen?

Eine gewisse Abhängigkeit einer solchen Agentur vom organisierten Sport wird immer dasein, weil der organisierte Sport sie ja finanzieren muß. Aber so wie der TÜV-Aufsichtsrat nicht von Vertretern der Automobilfirmen besetzt ist, sollte man auch bei dieser Agentur auf eine möglichst große personelle Unabhängigkeit achten.

Was muß sich im IOC ändern?

Das IOC hat mit seiner Kooptierung, sich die eigenen Mitglieder selbst zu suchen, eine Struktur, die in unserer Welt nur noch selten zu finden ist. Es ist außerdem ein Problem, daß die internationalen Spitzenverbände nicht den Einfluß in der olympischen Bewegung haben, den man ihnen geben sollte. Man sollte die Regel einführen, daß die internationalen Verbände, die an den Olympischen Spielen teilnehmen, automatisch ein IOC- Mitglied haben.

Sollten die Mitglieder noch über die Vergabe der Olympischen Spiele abstimmen?

Ich glaube nicht, daß es demokratischer ist, wenn die Entscheidung nur noch von acht bis fünfzehn Leuten getroffen wird. Außerdem ist die Versuchung der Korruption gerade dann groß, wenn nur wenige Leute entscheiden. Würden die Olympischen Spiele in einem Weltvolksentscheid vergeben, gäbe es keine Korruption. Von mir aus könnte man es ruhig dabei belassen, daß die IOC-Mitglieder entscheiden, nur muß man die Leute kontrollieren und auch harte Strafen bei Regelverletzungen haben.

Das wird die Städte kaum hindern, auf vielerlei Art um Stimmen zu werben.

Korruption gibt es, wenn viel auf dem Spiel steht. Daß die Bewerberstädte zum Teil IOC-Mitglieder bestochen haben, läßt sich nur auf die hohen Renditen zurückführen, die sie sich für den Fall erhofften, daß die Olympischen Spiele in ihr Land kommen. Dem könnte man abhelfen, indem man die Austragungsverträge so gestaltet, daß der Überschuß noch kleiner als bisher oder sogar negativ wird.

Dann bewirbt sich keiner mehr.

Dann bewerben sich die, denen es wirklich um den Sport geht und die den Sport nicht als Standortfaktor nutzen wollen.

Wäre es nicht besser, Olympia gleich in andere Hände zu geben? Uno oder Unesco zum Beispiel.

Davon halte ich wenig. Das wäre mir zu staatsnah.

Passé dürfte jedenfalls das System Samaranch sein, mit seiner Olympischen Familie und all seinen Prinzen.

Gerade die haben sich allerdings als die Unbestechlichsten erwiesen.

Ein Modell für die Zukunft geben sie trotzdem nicht ab. Statt dessen setzen sich im IOC zunehmend Wirtschaftsfachleute durch, die Olympia als reines Geschäftsunternehmen betreiben.

Dieser Tendenz muß man dadurch Einhalt gebieten, daß der Sport mehr einbezogen wird. Es ist ganz wichtig, daß mehr Aktive oder ehemalige Aktive ins IOC einziehen. Interview: Matti Lieske