Wolf ignoriert Urteil

NRW-Verfassungsschutz soll online PCs durchsuchen dürfen – obwohl Karlsruhe das der Polizei untersagt

DÜSSELDORF taz ■ VerfassungsschützerInnen in NRW dürfen weiterhin private Computer filzen: Das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofes betrifft nicht die Kompetenzen dieser Behörde. „Das Urteil verhält sich nicht zu den Kompetenzen des Verfassungsschutzes“, sagt Ulrich Joeres, Sprecher des Karlsruher Gerichts. Es gehe nur um strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Der dritte Strafsenat hatte entschieden, dass sich der Staat nicht heimlich in privat oder geschäftlich genutzte Computer einschleichen und deren Daten untersuchen darf.

Auch das nordrhein-westfälische Innenministerium will aus dem Urteil keine Konsequenzen ziehen. Unter Federführung von Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte NRW als erstes Bundesland die Online-Durchsuchung Anfang Januar gesetzlich erlaubt. Die Verfassungsschützer können nun, von den Computer-NutzerInnen unbemerkt, Festplatten durchforsten, E-Mails lesen und prüfen, auf welchen Seiten gesurft wurde. „Die Entscheidung der Karlsruher Richter hat keine direkten Auswirkungen auf unser Gesetz“, sagt Ministeriumssprecherin Dagmar Pelzer.

Für die GegnerInnen des nordrhein-westfälischen Alleingangs hat die Karlsruher Entscheidung allerdings Bedeutung: Das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen kündigte an, heute vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde einzulegen. Die Initiative befürchtet, dass der Verfassungsschutz in die private und berufliche Sphäre von AtomkraftgegnerInnen eindringen könnte. Vor wenigen Wochen hatte bereits die Mülheimer Autorin und Datenschützerin Bettina Winsemann angekündigt, vor das höchste deutsche Gericht zu ziehen. Ein Urteil wird allerdings erst in zwei bis drei Jahren erwartet. ANNIKA JOERES

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