: Fischerin fischt kleine Fische
Mit einer abgespeckten Variante ihrer Gesundheitsreform 2000 will Andrea Fischer heute den Vermittlungsausschuss des Bundesrates überzeugen ■ Aus Berlin Annette Rogalla
Andrea Fischer (Grüne) führt einen langen Kampf. Vergangenen Freitag hatte der Bundesrat ihre Gesundheitsreform furios scheitern lassen. Heute legt die Gesundheitsministerin eine abgespeckte Version vor. Mit dem neuen Gesetz will Fischer die starre Haltung des Bundesrates umgehen.
Wie vorab bekannt wurde, soll die Vorlage keine Bestimmungen mehr enthalten, die Ländersache sind und deswegen vom Bundesrat genehmigt werden müssen. Fischer hat ihre große Gesundheitsstrukturreform 2000 zerstückelt. Wichtige Kernpunkte ihrer ursprünglichen Reform fehlen.
Ersatzlos gestrichen wurde die Positivliste. Auch künftig werden die Ärzte auf eine Liste verzichten müssen, die ihnen sagt, welche Arzneimitteln sie verschreiben dürfen. Die Ärzte werden weiterhin unter den rund 50.000 Medikamenten das preisgünstigste und wirksamste aussuchen müssen. Die Milliardenhilfe für die maroden Ostkrankenkassen fand auch keine Zustimmung. Andrea Fischer wird im neuen Gesetz auf die Soforthilfe verzichten.
Das Globalbudget, das die gesamten Ausgaben der Krankenkassen begrenzen soll, erschien einigen Gesundheitspolitikern als Teufelswerk. Andrea Fischer befreit das neue Gesetz von der Kostendeckelung für Medikamente, Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte. Das Globalbudget hätte allerdings ermöglicht, dass alle, also Krankenkassen, Kliniken und niedergelassene Ärzte, nicht mehr hätten ausgeben dürfen als die gesetzliche Krankenkasse in den kommenden Jahren einnimmt – und zwar ohne die Beiträge zu erhöhen.
Im Vermittlungsausschuss wird Andrea Fischer einen Gesetzentwurf in den Händen halten, der nur noch ganz entfernt an ihre ursprüngliche Reform erinnert.
CDU-Gesundheitspolitikern gefällt auch die abgespeckte Version nicht. Fischers „gesundheitspolitische Philosophie ist unakzeptabel“, heißt es. Unionspolitiker geben jedoch unter der Hand zu, dass sie erst nach den Landtagswahlen bereit sind, gemeinsam mit der Koalition eine Gesundheitsreform zu entwickeln. Vorher nicht.
Bis dahin kann sich Fischer an einer hauseigenen Prognose erfreuen: Trotz gegenteiliger Erwartungen werden die Krankenkassen in diesem Jahr nicht mit einem Defizit abschließen. Möglich ist auch ein Überschuss, dank der Einnahmen aus den 630-Mark-Jobs.
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