: berliner szenen Abschied am Flipper
Mittelalterswahnsinn
Nach zehn Jahren war es die letzte Nacht in der Kahuna-Lounge. Die hawaiiorientierte Kneipe in der Körtestraße musste nun wegen der Miete schließen. Ich war vor einigen Jahren eher zufällig hierher geraten, weil B. dort immer flipperte. Später gehörte ich auch irgendwie zum Inventar, zumindest des hinteren Raums, in dem der Flipper stand. Zuerst hieß er „Theatre of Magic“, dann „Mars Attacks“ und die letzten Jahre „Medieval Madness“. Anfangs hatten wir meist gekifft, später getrunken. Gegen Ende war B. wegen Krankheit wieder zum Haschgift gewechselt.
Im Grunde genommen war die Kahuna-Lounge meine erste Stammkneipe. Zuvor hatte ich Kneipen gemieden; aus Kostengründen und weil ich eigentlich gegen das Trinken bin. Nun, beim Abschiednehmen, war ich doch recht traurig.
Die letzten Abende waren all die unterschiedlichen Flipperspezialisten noch einmal gekommen: die stilsicheren Türken, die bekifft immer Cola tranken; die zwei netten Hascher, die so gut wie sonst niemand Doppel spielten; der Captain und die anderen Meister des Flipperspiels.
Die Tage des Flipperns sind nun vorüber, der letzte Abend ging bis zum Morgen. Tische, Stühle, Bilder und die hawaiiorientierten Dekodinge wurden versteigert. Gegen eins waren alle blau; um vier hatte man sich wieder nüchtern getrunken. Aus Protest oder wegen permanenter Überforderung wurde der Flipper gegen Morgen immer lauter. Am Ende sah alles sehr friedlich und melancholisch aus: Büffel, der Chef, schlief in seinem Hawaiihemd auf einem Stuhl, Olaf, der Meister, spielte die letzte Kugel. Wie die Letzten auf einem sinkenden Schiff hielten die Stammgäste und Betreiber noch am Tresen aus, als ich gegen neun ging. DETLEF KUHLBRODT
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