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Close-up auf den Überlebenswillen

Olivier Dahans Piaf-Biopic „La Môme – La Vie en Rose“ eröffnete den Wettbewerb, ist aber doch nicht mehr als eine solide Schauspielerübung

Das ist wie Ravels „Bolero“ eine musikalische Überwältigungsmaschine. Entweder man schaltet sie ab oder man wird mitgezogen: „Non, je ne regrette rien“, Edith Piafs Absage an die Zumutungen des Lebens, klingt so, wie sie das Chanson zelebriert: alles andere als gelassen. Trotzigen Überlebenswillen schmettert sie mit donnernder Altstimme heraus – im unscheinbaren schwarzen Kleid unter dem Lichtkegel eine statuarische Miniatur-Königin.

Die Piaf verkörperte ein Showbusiness, das aus dem alten populären Musiktheater stammte, mit viel Stimme und wenig Technik auskam und nach dem Zweiten Weltkrieg die Massen ansprach. Die Piaf hatte ihre größten Erfolge in den 50er-Jahren, als sie nach all den ironischen Diseusen der 30er und 40er wieder Herz und Schmerz zur großen Kunst beförderte und dabei volksnah blieb. Sie erinnerte die Franzosen an ihre Vorkriegsrepublik und deren klassenversöhnenden Kunstappell. Man erinnerte sich an ihre Konzerte vor Kriegsgefangenen, bei denen sie einigen zur Flucht verholfen haben soll. Sie war eine, die es mit ihrer Kunst von ganz unten herauf geschafft hatte, aber das machte sie erst recht zur Beute der Presse, die mit ihren Liebesgeschichten und Drogenproblemen die Klatschspalten füllte.

Olivier Dahan („Die purpurnen Flüsse“) hat die Lebensgeschichte der Piaf nun als Mischung aus pittoreskem Sittengemälde und großem Melodram verfilmt. Der Eröffnungsfilm der Berlinale breitet einen Bilderbogen der Misere aus, der die kleine Straßensängerin Edith Gasson entstammte, und schildert die Stationen ihres Aufstiegs, ihre Zusammenbrüche, erneuten Bühnenauftritte und ihren frühen Tod als wohlkalkulierte Folge von Rückblenden.

Die Idee, die alles zusammenhält, ist die durch nichts irritierte Einheit von Leben und Bühnenfigur. Dieses neue Beispiel des seit einiger Zeit grassierenden Genres der Musikerbiografien will große Oper sein, Gefühlsbeschwörung, die ohne das Wissen um den Tod der Heldin im letzten Akt seine erbauliche Dynamik nicht entfalten würde. So sieht man der 31-Jährigen, bislang kaum durch tragende Rollen aufgefallenen Pariser Schauspielerin Marion Cotillard bei der Arbeit zu: Mit penibel nachgeahmten Gesichtsmasken, Körperhaltungen und Gestenrepertoires macht sie aus allen Phasen der Piaf eine solide Schauspielerübung.

Es fehlt nichts an dieser Geschichte eines immer wieder verlassenen Kindes, das früh lernen muss, im Ein-Mann-Zirkusbetrieb seines Vaters mitzuarbeiten. Edith Piafs Aufstieg in Paris, ihre Verstrickungen in die Geschäfte eines Zuhälters, der sie auch unter Mordverdacht bringt, endlich die harte Arbeit an ihrer Kunst machen den Hauptteil des Films aus.

Dahan hat sein Biopic deutlich mit Blick auf ein amerikanisches Publikum gedreht. Edith Piafs Tourneen in die USA, ihre Liebesgeschichte mit dem Boxer Cerdan, ihre Entziehungskuren nach den Drogenexzessen, mit denen sie vor ihrer Trauer um den Flugzeugabsturz ihres Geliebten flüchten wollte – alle hochdramatischen Episoden dieses Lebens werden im Takt abgehakt und mit einem ihrer Chansons kommentiert. Die USA wirken wie Ruhezone und Fluchtoase, Frankreich zur Zeit des Krieges wird dagegen ausgeblendet.

Der Film glänzt mit guter Ausstattung, opulenten Kamerafahrten, aufwändigen Musikszenen in alten Theatern und Musikhallen. Schauwerte sind es, die Dahan aus diesem Leben zieht. Vor lauter Überwältigung angesichts vieler Close-ups der Sterbenden geht man auf Distanz.

CLAUDIA LENSSEN

„La Môme – La Vie en Rose“. R: Olivier Dahan. D: Marion Cotillard, Sylvie Testud, Gérard Depardieu, F/GB/CZ 2007, 140 Min.; heute, 15 + 18.30 Uhr, Urania

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