: Schlampige Kontrolleure der Konzerne
Die Aktionärsschützer der SdK üben deutliche Kritik an den Aufsichtsräten von Siemens und VW. Sie hätten auf Korruptionsberichte zu spät reagiert. ThyssenKrupp werfen sie die Entmündigung der Anteilseigner vor
BERLIN taz ■ Vor allem die Großen haben gesündigt. Zumindest nehmen die Fehler und Schwächen der Dax-Konzerne anders als in Vorjahren großen Raum im Schwarzbuch der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ein. „In den letzten Jahren haben wir hauptsächlich über die Skandale der Kleingesellschaften berichtet“, sagte SdK-Chef Klaus Schneider gestern. Diesmal hätten es auch „ein halbes Dutzend Dax-Unternehmen“ in den Bericht geschafft.
Die SdK ist eine von zwei großen Vereinigungen, die sich dem Aktionärsschutz verschreiben. Vor allem Kleinaktionäre haben die Möglichkeit, ihre Stimmrechte für Hauptversammlungen auf die SdK zu übertragen und sich von den jeweiligen Fachleuten vertreten zu lassen. Ferner bietet die SdK, die auch Mitglied im Bundesverband der Verbraucherzentralen ist, ihren Mitgliedern Rechtsvertretung im Prozessfall an und analysiert das Börsengeschehen unter besonderer Berücksichtigung der Folgen für die Kleinaktionäre. Die größten Ärgernisse des Jahres veröffentlicht die SdK regelmäßig in ihrem Schwarzbuch.
Eine zentrale Kritik in diesem Jahr: Die mangelnde Kontrolle der Unternehmen durch die Aufsichtsräte. So seien die „Beziehungen zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand“, die im Zusammenhang mit der VW-Korruptionsaffäre und Bordellbesuchen auf Firmenkosten im vergangenen Jahr die Ermittler beschäftigten, für die Konzern-Kontrolleure vor dem Erscheinen des Staatsanwaltes kein Thema gewesen. Auch bei Siemens habe niemand das Thema Korruption auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei sei ein- bis zweimal im Jahr über Schmiergelder in verschiedenen Konzernbereichen in Medien berichtet worden. „Wenn man unterstellen darf, dass auch Aufsichtsräte zumindest Zeitung lesen, dann ist zu fragen, warum dieses Thema in diesem Gremium nicht aufgegriffen worden ist.“
Die Schmiergeldaffäre bei Siemens ist nach Ansicht der SdK einer der größten Unternehmensskandale des vergangenen Jahres. Mit der Affäre habe der Konzern nach einer 30-prozentigen Gehaltserhöhung für den Vorstand und der BenQ-Pleite sein Ansehen „gänzlich ramponiert“, kritisierten die Aktionärsschützer. Als „wohl größten Börsenskandal“ 2006 kritisierte SdK den Kursverlust des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS von 25 Prozent. Der Börsenwert sei nach Lieferverzögerungen für den Airbus A 380 um mehr als fünf Milliarden Euro gesunken.
Besonders schlecht kommt auch der Stahlkonzern ThyssenKrupp in diesem Jahr weg. Dort hat seit wenigen Wochen der Großaktionär „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“ das Recht, drei Aufsichtsräte direkt in das Kontrollgremium zu entsenden. Sie müssen sich also nicht dem Votum aller Aktionäre auf der Hauptversammlung stellen. „Dies kommt einer Entmündigung gleich“, kommentiert die SdK.
Kritisch sieht die Vereinigung dabei die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme. Er sei Vorsitzender der Regierungskomission Corporate Governance, die sich für eine Gleichbehandlung aller Aktionäre einsetzt. Faktisch habe Cromme, der auch im Beirat der Großaktionärs-Stiftung sitzt, aber bei ThyssenKrupp nun die Bildung von zwei Aktionärsklassen maßgeblich unterstützt. „Die Glaubwürdigkeit von Cromme als Verfechter guter Corporate Governance ist ziemlich erschüttert“, urteilt die SdK. STEPHAN KOSCH