: „Es geht um radikale Veränderungen“
KUNST „Das Haus der 28 Türen“ auf dem Tempelhofer Feld will eine Dialogkultur in der Flüchtlingspolitik anmahnen, sagt Künstler Hofstetter
■ 47, ist Mitglied des 1989 gegründeten Künstlerkollektivs Bewegung Nurr. In ihren Installationen thematisieren sie Kapitalismus, Subversion und den Kunstmarkt.
INTERVIEW HILKE RUSCH
taz: Herr Hofstetter, Ihre Künstlergruppe Bewegung Nurr hat auf dem Tempelhofer Feld einen Pavillon errichtet, dessen Außenwände nur aus Türen bestehen. Was hat es mit dem „Haus der 28 Türen“ auf sich?
Alekos Hofstetter: Die 28 Türen sind an der Anzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union orientiert. Mit der Installation möchten wir eine Differenz sichtbar und erlebbar machen, zwischen innen und außen. Wir sind nicht einverstanden mit der europäischen Flüchtlingspolitik und wollen, dass die Menschen sich überlegen, wie die EU von außen aussehen könnte – dass sie dieses Innen-außen-Verhältnis reflektieren. Das Kunstwerk ist außerdem den ungezählten Opfern gewidmet, die an den Grenzen der Europäischen Union den Tod finden.
Sie möchten, dass die Installation ein „Kommunikationsraum“ ist. Was hat das mit dem Thema Flucht zu tun?
Flüchtlinge werden in unserer Gesellschaft nicht als gleichberechtigte Dialogpartner betrachtet – sie stehen für einen solchen Dialog oft gar nicht zur Verfügung, weil sie in Aufnahmelagern interniert sind oder in Abschiebeknästen sitzen. Deswegen haben wir an der Videoinstallation im Inneren des Hauses gemeinsam mit drei Geflüchteten gearbeitet: Mit Bruno Watara, Sista Mimi und Nzar Saleh. In Monologen erzählen sie von ihrem Weg und sprechen über ihr politisches Engagement. Bruno Watara beispielsweise kommt aus Togo und musste das Land verlassen, weil er politisch verfolgt wurde. Er erzählt viel über die Situation in den Lagern und Flüchtlingsheimen in Deutschland. Der Pavillon ist als Raum gedacht, in dem sich Flüchtlinge und Besucher gleichberechtigt begegnen, in dem die Besucher über radikale Veränderungen in der Asylpolitik nachdenken können.
Ist die Installation als bewusste Umkehr zu verstehen? Geflüchtete haben das Wort, die ZuschauerInnen können sich ihnen gegenüber aber nicht äußern?
Nein, das überhaupt nicht. Der Pavillon soll ein Begegnungsort sein, ein Ort, der neue Vorzeichen für eine Auseinandersetzung schafft. Da ist das Entscheidende, dass es ein offener Ort ist. Als solcher funktioniert er auch: Die Leute kamen schon während der Aufbauphase und fragten nach seiner Bedeutung.
Sie haben für Ihre Installation das Tempelhofer Feld gewählt. Wenn Sie dort Fragen nach dem Innen und Außen der EU aufwerfen wollen, und dabei scheint die Sonne auf Kleingärten und auf das Feld mit Menschen, die grillen – inwiefern transportiert sich da die EU-Grenzpolitik?
■ Mit einer Performance und der Band „Antinational Embassy“, in der Flüchtlinge aus der Gerhart-Hauptmann-Schule spielen, öffnet am Samstag um 17 Uhr die Installation „Das Haus der 28 Türen“ ihre Pforten. Das Projekt thematisiert die Flüchtlingspolitik der EU: Jede Tür steht für einen der Mitgliedstaaten. Das Projekt endet am 10. August.
■ Im Inneren des Pavillons erzählen Geflüchtete in einer Videoinstallation von ihrem politischen Engagement. Ergänzt wird die Ausstellung durch Vorträge, Diskussionsrunden und Theateraufführungen.
■ Ausgewählte Veranstaltungen: Samstag, 2. August, 19 Uhr: „ ‚Dorthin kann ich nicht zurück‘ – Ankommen in Europa“. Lesung mit Selmin Çaliskan, Generalsekretärin von Amnesty International
■ Sonntag, 3. August, 19 Uhr: „Ende oder neuer Aufbruch? Verfolgte Journalisten im deutschen Exil“. Podiumsgespräch in Kooperation mit der Organisation Reporter ohne Grenzen. Mit Emin Milli vom aserbaidschanischen Exilsender Meydan TV, dem syrischen Journalisten und Aktivisten Majid al-Bunni und der früheren Sprecherin des Gouverneurs der Provinz Herat in Afghanistan, Sharmila Hashimi
■ Freitag, 8. August, 18 und 20 Uhr: GRENZFAeLLE. Ein Theaterstück von und mit Geflüchteten und Berliner SchauspielerInnen.
■ Mehr Info und das vollständige Programm unter gibt es im Netz: unter www.28doors.eu (hru)
Sie meinen, weil es so ein überströmendes Freizeitgefühl auf dem Tempelhofer Feld gibt? Es ist sehr wichtig, dass der Pavillon auf dem Feld freistehend ist, dass dort Leute präsent sind und dass sie dort in Gespräche verwickelt werden. Bei Kunst stellt sich immer auch die Frage nach dem Nutzen und ob Kunst – in Anführungszeichen – funktioniert.
Was muss passieren, damit Ihre Kunst hier auf dem Feld funktioniert?
Wir sehen täglich grausige Bilder, gestrandete Boote, Leichen – das sind ja omnipräsente Bilder. Ich glaube nicht, dass wir damit noch Leute wachrütteln. Aber was eben funktionieren kann, ist, dass wir die Differenz zwischen dem Innen und Außen erlebbar machen. Und dass die Besucher, wenn es gut läuft, darüber sprechen.