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Archiv-Artikel

Märchenwald mit Musik

POPMUSIK Recht unverblümte Lieder in einer intimen Gartenatmosphäre am Ostkreuz: Das Festival „Down by the River“ empfiehlt sich für die, die Festivals sonst lieber meiden

Down by the River

■ Runter zum Fluss sind es vom About Blank doch ein paar Meter, aber deswegen muss man ja nicht gleich einen gut eingeführten Namen wechseln. Und früher fand das „Down by the River“-Festival ja tatsächlich mal spreenah in der Bar 25 und im Kater Holzig statt.

■ Wie bereits im vergangenen Jahr gastiert nun „Berlins Festival für unerhörte und windschiefe Töne“ heute am Samstag im About Blank, Markgrafendamm 24c, wo auf verschiedenen Bühnen unter anderem mit Jakob Dobers die deutsche Entsprechung von Jonathan Richman, die „glühend spröden“ Jolly Goods oder die krautjazzenden Sacred Travelers auftreten. 20 Euro. Einlass 12 Uhr, Beginn 14 Uhr. Nach 22 Uhr geht es weiter mit der Afterparty nahe bei im Zukunft am Ostkreuz. Info: www.downbytheriver-berlin.de

VON ANDREAS BUSCHE

„Down by the river I shot my baby / Down by the river, dead, shot her dead“, sang Neil Young vor über vierzig Jahren. Die narkoleptische Funkyness von Youngs Gitarre hat Generationen von Singer-Songwritern beeinflusst, doch die fiebrigen Textzeilen beschworen auch bereits das Ende eines Hippie-Idylls herauf, in dem sich Young und Konsorten gegen Ende der bewusstseinserweiterten sechziger Jahre an der Peripherie der Zivilisation eingerichtet hatten.

Unten am Wasser, da lauert der Tod, Baby. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Neil Young hat bis heute trotz allem Vorbildfunktion für jene Fraktion der urbanen Folk-Hippies, die ihrer Sehnsucht nach der Ursprünglichkeit der Natur musikalisch Ausdruck verleiht.

Im Berlin der nuller Jahre waren die neuen Hippies eher in der Bar 25 anzutreffen, weshalb es irgendwie passte, dass vor sechs Jahren an diesem heute historischen Ort an der Spree erstmals das kleine Festival „Down by the River“ veranstaltet wurde. Dass das Gelände der Bar zufällig an einen Fluss anschloss, passte gut ins Gesamtkonzept. Zwingend erforderlich ist es, wie sich inzwischen herausgestellt hat, aber nicht.

An diesem Wochenende findet „Down by the River“ zum sechsten Mal statt. Viel hat sich seit 2009 eigentlich nicht geändert, was das Festival im schnelllebigen Hauptstadt-Hype zu einem sympathischen Anachronismus macht. Nur der Fluss ist nicht mehr da. Im verwachsenen Märchenwald des About Blank fließt kein Wasser, was für Ran Huber, der das Festival zusammen mit der Veranstaltungsgruppe Fourtrack on Stage ausrichtet, jedoch kein Problem darstellt.

„Diese Naturbezüge der Folkmusik sind uns schon wichtig, aber richtig ernst meinen wir das natürlich nicht“, sagt er, um gleich nachzuschieben: „Trotzdem spielt der Ort im Konzept von ‚Down by the River‘ eine Rolle. Eigentlich bin ich ja kein Freund von Festivals. Das Bier ist meist zu teuer, die Veranstaltungsorte sind lieblos und viel zu groß. Wir suchen lieber die Nähe zum Publikum. Diese Intimität macht den Reiz von ‚Down by the River‘ aus. Es geht um die Bands, nicht um das Event. Das About Blank ist ein entspannter Ort, der für so eine Veranstaltung die idealen Voraussetzungen bietet.“

Die unwirkliche Atmosphäre des Gartens tut ein Übriges. In einem toten Winkel am Ostkreuz, auf dem Hof einer alten Gewerbeimmobilie, hat sich die Natur die Stadt zurückerobert. Vernachlässigung ist manchmal auch ein Segen.

Auffallend viele Duos

„Down by the River“ versucht sich diesen gewachsenen Ort nicht zu eigen zu machen, das Festival taucht lediglich in ihn ein. Wer sich am Samstag bis zur kleinen Bühne am Rande des Birkenwäldchens vorgearbeitet hat, kann dort dann dem zauberhaft multiplen Gesang von San Franciscos Psychpop-Chanteuse Heidi Alexander lauschen oder Jakob Dobers beschwingten, an der messerscharfen Beobachtungsgabe eines Jonathan Richman geschulten Alltagsimpressionen. Mit klassischem Folk haben diese Musiker eigentlich nicht viel am Hut, „Down by the River“ protegiert eher ein facettenreiches Verständnis von modernem Singer-Songwritertum.

Dass sich in diesem Jahr auffallend viele Duos (unter anderem die Jolly Goods mit ihrem Wah-Wah-verhangenen Sixties-Pop, die norwegische Tropicalia-Band YoYoYo Acapulco und die spanische Hibbel-Noise-Combo Za!) im Line-up befinden, nennt Huber Zufall. Aber natürlich lassen sich gewisse Schwerpunkte nie ausschließen, wenn man sein Programm so konsequent nach dem eigenen Geschmack ausrichtet. „Bei uns spielen nur Bands, die uns persönlich gefallen. Darum gibt es auch keinen Headliner.“

Dass einige Künstler dennoch stärker im Mittelpunkt stehen als andere, ist dabei unvermeidlich. Das Hamburger Mädchenduo Schnipo Schranke (was im nordischen Slang, analog zu Pommes Schranke, Schnitzel mit Pommes, Mayo und Ketchup bedeutet) zum Beispiel hat im vergangenen Jahr mit seinem verschrobenen DIY-Pop und dem herrlich unverblümten Liebeslied „Pisse“ bereits für Aufsehen gesorgt.

Die selbst gezimmerte Bühne des Festivals „Down by the River“ bietet zwar nicht den angemessenen Rahmen, um Stars hervorzubringen – aber Stars werden schließlich auch nicht gemacht. Zum Star wird man geboren. Raushängen lassen muss man das nicht. In seinem sechsten Jahr hat sich das „Down by the River“ in Berlin jedenfalls als erste Adresse für Musikfans etabliert, die Festivals bisher immer gemieden haben.