Wasser auf die Mühlen der Spießer

COOLER FEUERWEHREINSATZ

Früher waren die Spießer integriert, heute habe ich da meine Zweifel

Ich muss diesen Talk mit „ich“ beginnen, weil ich Anfang der 90er Jahre in der Oderberger Straße gelebt habe. Eine ziemlich lässige Zeit war das in diesem abgeschiedenen Winkel von Prenzlauer Berg – mit Kneipen, die eher Wohnzimmer waren, und mit Innenhöfen, die jedem offen standen. Natürlich gab es auch Spießer, aber die waren nicht in der Mehrheit und deswegen gut integriert.

Das alles ging mir durch den Kopf, als ich lesen musste, was am Sonntag in der Oderberger passiert war. Eine ziemlich coole Besatzung des ohnehin coolen Feuerwehrkommandos vor Ort hat ihre Spritze einfach mal in den Himmel gehalten, um ein paar Leuten eine Erfrischung zu gönnen. Tolle Sache, die man in einen Werbeclip über das hippe Berlin reinschneiden könnte. Freilich fand das nicht jeder lustig: Viele Anrufer bei der Feuerwehr beschwerten sich über Kalkränder auf den Dächern ihrer – sagen wir es ruhig – testosterongesteuerten Arschlochautos.

Nun habe ich mich gefragt, ob das alte Spießer waren, die zu Geld gekommen sind, um sich einen SUV zu kaufen. Für jemandem, der gern die drohende Verdrängung beklagt, wäre das eine gute Nachricht: Die alten Säcke sind noch da, die Mischung stimmt!

Leider hat mir das in der Redaktion keiner abgenommen. Das seien die Neureichen, die in den Prenzlberg gezogen sind, wurde ich belehrt. Es gibt also, da haben sie wohl recht, auch neue Spießer in der Oderberger Straße. Ich mache mir Sorgen, ob die ähnlich integrationsfähig sind wie die alten in den 90ern.

Ein bisschen habe ich auch an Jens-Holger Kirchner denken müssen, den grünen Baustadtrat von Pankow. Der hatte das mit den neuen Spießern schon eher mitgekriegt. Deshalb hat er wohl beim Umbau der Oderbergerstraße all die hübschen Baumscheiben Marke Eigenbau wegräumen wollen – als eine Art soziokulturelle Flurbereinigung. Doch das brachte das ebenfalls noch in kleinen Dosen vorhandene Alternativmilieu auf die Palme. Nach zahlreichen Protesten durften die bunten, selbst gezimmerten Bänkchen bleiben.

Nun frage ich mich, ob das wirklich klug war. Wahrscheinlich müsste man mal durchzählen, wo es mehr Proteste gab: Gegen Kirchners Gleichmacherei oder gegen die coolen Feuerwehrleute. Träfe Letzteres zu, wäre ich dafür, die hübschen Sitzgelegenheiten nachträglich zu entfernen. Man müsste wohl auch drüber nachdenken, die Gehwege rückzubauen, mehr Parkplätze anzulegen und den Zugang zum Mauerpark zu schließen. So wie früher, als da noch die Mauer stand. Wenn schon Spießerstraße, dann richtig! UWE RADA