: Der Frauenfußballer
JUBILÄUM Der Frauenfußballverein Turbine Potsdam wird 40. Aus der Betriebssportgruppe wurde ein Champions-League-Sieger. Von Anfang an dabei ein Mann: Trainer Bernd Schröder
■ Am Freitag, den 4. März feiert Turbine Potsdam mit rund 150 geladenen Gästen in der ehemaligen Turbinenhalle des unter Denkmalschutz stehenden Heizkraftwerks in Luckenwalde sein 40-jähriges Jubiläum. Unter anderem werden der DFB-Präsident Theo Zwanziger und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck die Festreden halten.
■ Zu feiern gibt es vielleicht schon bald noch mehr. Zwei Spieltage vor dem Saisonschluss führen die Potsdamerinnen die Bundesliga mit einem Punkt Vorsprung an. Turbine hat zum fünften Mal das Pokalfinale erreicht.
■ Am 26. März geht es in Köln gegen den Erzrivalen 1. FFC Frankfurt. Und auch in der Champions League ist Turbine noch im Rennen. (th)
VON TORSTEN HASELBAUER
Von der Tribüne des Karl-Liebknecht-Stadions in Potsdam ist der Blick besonders eindrucksvoll. Er schweift weit hinüber über das Spielfeld bis in den benachbarten Park Babelsberg hinein. Nichts beeinträchtigt diese Welterbe-Sichtachsen. Denn die Flutlichtmasten des „Karli“, wie die Potsdamer ihr Stadion liebevoll nennen, sind einknickbar. So etwas ist einmalig in Deutschland. So einmalig wie der Fußballverein, der da unten auf dem Rasen seine Heimspiele austrägt. Und der in dieser Woche, genau gesagt am Freitag, seinen 40. Geburtstag feiert.
Es geht um Turbine Potsdam, Deutschlands erfolgreichsten und wohl auch beliebtesten Frauenfußballverein. Ein Klub mit einer in Jahren gerecht verteilten Ost-West Geschichte, ebenso wechsel- und spannungsvoll wie die jüngere deutsche Historie auch. Turbine Potsdam hat immer mit dieser Geschichte korrespondiert, sie als Kraftquelle genutzt und daraus ihre Identität gewonnen. „Es gibt kein Frauenfußballverein auf dieser Welt, der das durchgemacht hat, was wir durchgemacht haben“, sagt Bernd Schröder nicht ohne Stolz, wenn er auf die vierzig Jahre seines Vereins zurückblickt.
Bernd Schröder ist der Frauenfußballer. Er hat bei Turbine Potsdam alles gemacht, was man mit einem Fußballverein so anstellen kann. Um mit dem Wichtigsten einmal anzufangen: Schröder hat die Frauenfußball-Abteilung der Betriebssportgemeinschaft (BSG) Turbine Potsdam mitgegründet. Am 3. März 1971, spätabends im Klubhaus Walter Junker.
Schröder war Ingenieur bei dem Volkseigenen Betrieb Energieversorgung Potsdam. Er hatte mal in Leipzig im Fußballtor gestanden, aber noch nie im Leben eine Fußballmannschaft trainiert. Doch sein feines Gespür, sein untrüglicher Instinkt hatte ihm an jenem Abend sofort signalisiert, dass hier etwas wirklich Großes entstehen kann. So entschloss sich der knorrige Zweimetermann mit den großen Torwarthänden spontan, das Traineramt bei den Turbine-Frauen zu übernehmen. „Es war ja kein anderer da“, kokettiert Schröder heute gern, wenn er nach seiner damaligen Motivation gefragt wird.
Der Frauenfußball war in jenen Jahren in der DDR nicht viel anerkannter als in der Bundesrepublik auch. Frauenfußball war keine olympische Sportart und wurde deshalb in der DDR staatlich nur wenig gefördert. „Wir galten als Volkssportart, mit der man international nichts zum Imagegewinn des sozialistischen Landes beitragen konnte“, erinnert sich Schröder an die bescheidenen Anfangsjahre.
Trotzdem wurde die „Sektion Frauenfußball“ bei Turbine von dem Trägerbetrieb „Energieversorgung“ als Betriebssport unterstützt. Das Karl-Liebknecht-Stadion wurde kostenlos zur Verfügung gestellt und der Nachwuchs gefördert. So viel betriebliches Engagement für den Frauenfußball galt in der DDR als Ausnahme.
Schröder führte den Verein zwischen 1981 und 1989 dann fast folgerichtig zu sechs DDR-Fußballmeisterschaften. „Es war eine gute, sichere Zeit“, erinnert sich der heute 68-Jährige. Er sagt das oft. Sicher auch, weil er miterlebt hat, wie der Verein in der Wendezeit 1989/1990 kurz vor der Auflösung stand. Es waren die schwierigen Jahre, „in denen wir morgens nicht wussten, ob es am Abend den Verein noch geben wird“, erinnert sich Bernd Schröder.
1990 stand der Turbine-Trägerbetrieb, heute heißt so etwas Sponsor, vor der Abwicklung. Und damit der Gesamtverein gleich mit. Schröder kämpfte beim VEB Energieversorgung um die Arbeitsplätze. Am Abend ging er dann in das Karl-Liebknecht-Stadion. Dort warteten die Turbine-Kickerinnen in der Kabine und wussten nicht mehr weiter. Privat, beruflich und sportlich sowieso.
Das war die zweite Phase dieses Klubs: ein Ostverein, der wie so viele in jenen Wendejahren ziemlich kräftig aus der Balance geriet, aber weiter standhaft um sein Überleben kämpfte – und schließlich gewann. Aus dieser Zeit zieht Turbine Potsdam bis heute seine unerschöpfliche Kraft, die Identität und die hohe soziale Anziehungskraft für die Anhänger, die weit über die Grenzen der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam hinausgeht.
Dass sich Turbine zudem dem Trend der Wendezeit widersetzte und seinen Namen behielt, hat bis heute für die Anhänger des Klubs eine hohe Symbolkraft. „ ‚Turbine‘ ist ein technischer Begriff und kein politischer. Jeder weiß sofort, woher wir kommen“, sagt Schröder stolz. Deshalb soll sich an dem Namen auch in Zukunft nichts ändern.
Einer Zukunft mit ihm, zumindest noch bis ins Jahr 2012. Das hat Schröder diese Woche angekündigt und seinen Vertrag verlängert. Er war mal kurz weg, wenn auch nicht richtig. Anfang der 90er Jahre zog sich Schröder in das Vereinsmanagement zurück. 1997 setzte er sich wieder auf die Trainerbank. Es funktionierte nur so.
Fortan entwickelte sich Turbine, auch durch die wohlüberlegte Verpflichtung von ausländischen Spielerinnen, zu einem Spitzenteam im deutschen Frauenfußball. Das Spiel der „Torbienen“ war dabei immer mehr von körperlicher Überlegenheit als spielerischer Eleganz geprägt. Vier Deutsche Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiege, ein Uefa-Cup-Sieg (2005) und im vergangenen Jahr der Gewinn des erstmals ausgetragenen Champions-League-Wettbewerbs zeugen von der Richtigkeit eines körperorientierten, zweckmäßigen Trainingskonzepts bei Turbine Potsdam. Davon profitierte auch immer das Nationalteam. Bis heute hat Turbine rund vierzig Nationalspielerinnen hervorgebracht, so viele wie kein anderer Verein in der Bundesliga.
Turbine Potsdam hat sich stetig und ohne Hast modernisiert. Alles im Verein wirkt wohldurchdacht. Der Klub arbeitet mit einem Saisonetat von einer Million Euro und verfügt über einen Zuschauerschnitt von 1.200 pro Spiel. Die vor fünf Jahren eingegangene Kooperation mit der Eliteschule des Sports auf dem Potsdamer Olympiastützpunkt zahlt sich aus. So professionell wie nirgendwo im Frauenfußball wird in Potsdam die sportliche und berufliche Karriere der Nachwuchskickerinnen vorangetrieben. Dieses Modell gilt längst als Vorbild für den deutschen Frauenfußball. „Wir sind jetzt endlich angekommen“, sagt Bernd Schröder – vierzig Jahre nach der Gründung des Vereins.