Vor dem Stadion statt in der Fankurve

Nach dem Tod eines Polizisten will Italiens Regierung den Gewaltausbrüchen bei Fußballspielen mit harten Maßnahmen begegnen. In Stadien, die den Sicherheitsstandards nicht entsprechen, kicken die Mannschaften künftig vor leeren Rängen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Am nächsten Wochenende wird Italiens Fußball wieder den Spielbetrieb aufnehmen, doch von einer Rückkehr zur Normalität kann keine Rede sein. Das Maßnahmenpaket der Regierung sieht nämlich vor, dass viele Clubs vor leeren Stadien spielen müssen.

Am Montagmittag waren zunächst in Catania Zehntausende zusammengekommen, um dem am Freitag von Hooligans getöteten Polizisten Filippo Raciti das letzte Geleit zu geben. Vor Innenminister Giuliano Amato und Sportministerin Giovanna Melandri wandte sich während der Totenmesse die Witwe Racitis mit einem bewegenden Appell an die Fans. Sie hoffe, dass der Tod ihres Mannes die Abkehr von der Gewalt in den Stadien einleiten könne, sagte sie.

Noch am gleichen Nachmittag trafen dann Innenminister Amato, Sportministerin Melandri, der kommissarische Chef des Fußballverbands Luca Pancalli und der Präsident des Olympischen Komitees Italiens, Gianni Petrucci, zusammen, um sich auf die operativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Hooligan-Gewalt zu einigen.

Anders als erwartet wird der Spielbetrieb doch wieder schnell aufgenommen. Dies war der wohl einzige Punkt, in dem die Regierung den Clubs der Ersten und Zweiten Liga entgegenkam. Denn von nun an gilt: In Stadien, die nicht in jedem Punkt strengen Sicherheitsvorschriften entsprechen, müssen die Mannschaften vor leeren Rängen kicken.

So müssen die Stadioneingänge mit Drehkreuzen ausgerüstet sein, die nur je einen Fan nach Einführung seiner Karte in einen Kontrollschlitz hineinlassen. Nur vier Stadien (Rom, Palermo, Turin, Siena) erfüllen die Sicherheitsstandards, sechs weitere sind mittlerweile fast umgerüstet, doch zumindest in den Städten Verona, Bergamo, Udine, Catania und Ascoli Piceno ist noch gar nichts passiert – und die Fans werden draußen bleiben.

Außerdem will die Regierung den Ankauf von Kartenpaketen durch die Fanclubs und die Durchführung organisierter Reisen zu Auswärtsspielen untersagen. Immer wieder kam es in den letzten Jahren schon bei der Anreise zu Krawallen und zur Verwüstung kompletter Eisenbahnzüge. Gewaltbereit Fans sollen künftig bis zu zehn Jahre Stadionverbot erhalten, und der Bann ist nicht mehr an den Nachweis konkreter Straftaten gebunden.

Statt ins Stadion zu gehen, sollen straffällig gewordene Fans während der Spiele zu gemeinnützigen Arbeiten anrücken. Als Beispiel nannte Innenminister Amato das Putzen öffentlicher Klos. Zudem will die Regierung jede Kooperation zwischen den Vereinen und den Ultra-Vereinigungen untersagen. Bisher hatten zahlreiche Clubs ein sehr enges Verhältnis auch zu Ultras gepflegt, die als rechtsradikale Schlägertruppen in Verruf geraten waren, und die Prügeltruppen mit reichlich Freikarten und Privilegien gehätschelt.

Während der Fußballverband und das Olympische Komitee den harten Kurs der Regierung unterstützen, ist der Ligaausschuss – in ihm sind die Vereine der Serie A und der Serie B zusammengefasst – in heller Panik. Der Vorsitzende des Liga-Ausschusses Antonio Matarrese hatte am Montag mit einem Interview Aufsehen erregt, in dem er erklärt hatte, dass Tote im Fußball „nun einmal dazugehören“ – und das man gefälligst „einen der größten Industriezweige“ des Landes nicht einfach zusperren könne.

Während Matarrese empörte Reaktionen hinnehmen musste (Romano Prodi: „eine inakzeptable Stellungnahme“), weiß er doch die Präsidenten der meisten Clubs hinter sich. Die setzen im Profi-Bereich mehr als vier Milliarden Euro im Jahr um und machen sich jetzt Sorgen um die Einnahmen. Sie konnten durchaus mit der Welle der Betroffenheit leben, die nach dem Tod Racitis durch Italien ging – wären dann aber gern schnell wieder zur Normalität übergegangen. Daraus wird wohl nichts: Noch in dieser Woche will die Regierung das Maßnahmenpaket auf einer Kabinettsitzung absegnen.