Reisen im Zwischenzustand

Die US-amerikanische Avantgarde-Band „Tuxedomoon“ kehrt nach San Francisco zurück, um den Soundtrack zu einem experimentellen Film einzuspielen. Morgen Abend stellt sie das Ergebnis in der Fabrik vor

Fr, 9. 2., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstr. 36

Begonnen haben „Tuxedomoon“ Ende der 70er als exzentrischer Seitenarm des elektronischen Musiklabors der Bay Area. Aufsehen erregten sie durch ungewöhnliche Instrumentierung und eine experimentelle Vorstellung von Post-Punk. No Wave, Elektronik, Klassik, Jazz und Pop verbanden „Tuxedomoon“ zu einem eigentümlichen und wegweisenden Gemisch – noch heute ist ihr Song „No Tears“ aus den Tanztempeln nicht wegzudenken. Während der 90er war von den Avantgardisten dann nichts Neues mehr zu hören, man widmete sich ausgiebig der Solokarriere. Vor zwei Jahren fand man sich aber wieder zusammen und nahm mit „Cabin In The Sky“ endlich neues Material auf.

Vor kurzem nun haben „Tuxedomoon“ mit „Bardo Hotel“ eine Reihe von spontan improvisierten Kompositionen veröffentlicht, die in San Francisco als Soundtrack zu einem experimentellen Filmprojekt des griechischen Künstlers George Kakanakis entstanden sind. Der Titel der eigenwilligen Mischung aus zeitgenössischer Klassik, Ambient, Jazz und Sprachsamples bezieht sich dabei zum einen auf das Bardo, welches im tibetischen Buddhismus einen zwischen Leben und Tod vermittelnden Zustand bezeichnet. Zum Zweiten verweist er auf ein namenloses Pariser Hotel, das sich eine Gruppe von Beat-Literaten in den späten 50ern als Wohnort auserkoren hatte. Hier entwickelten William S. Burroughs und Brion Gysin die Cut-Up- und Fold-In-Technik, die Burroughs in „Naked Lunch“ auf die literarische Welt losließ. Gysin nannte diesen Ort später in seinen Memoiren das „Beat Museum/Bardo Hotel“.

Auch klanglich verbindet „Bardo Hotel“ zwei Aspekte: das Meditative und das Reisen – als Verharren in einem permanenten Exil. Die zyklische, repetitive und hypnotische Struktur der 20 Stücke erinnert bisweilen an eine zerlumpte Version von Steve Reich oder Philip Glass, zusammengeschnittene und eingefaltete Sprachsamples evozieren die Vorstellung der Bewegung – ganz im Sinne der Beat-Literaten also, für die das physische Reisen die tief greifendere Bewegung zwischen Bewusstseinszuständen simulierte und sogar auslöste. Eine Reise allerdings, die niemals am Ziel ankommt. Und das ist vielleicht der zentrale Punkt. ROBERT MATTHIES