: Grundsätzlich unberührt
Der Dokfilm „Lagerfeld Confidentiel“ (Panorama) zeigt den Modezaren als paradoxen Selbstdarsteller
Der erste Blick zeigt ein Pariser Apartment, wie man es von Freunden kennt. Hohe beengte Räume von steifem Charme, vollgestopft mit Büchern und Möbeln, in denen allerdings kein anderer als Karl Lagerfeld herumtapst. Kein schlechter Einstieg, wie Rodolphe Marconi da einen Lagerfeld präsentiert, der sympathischerweise nicht viel anders zu leben scheint als gutsituierte Akademiker.
Direkt geht der 1974 in Angoulême geborene Regisseur in dieser Szene die austerity des Modemachers an. Denn trotz allen Überflusses – auf dem Kaminsims sind nicht weniger als zehn verschiedene iPods zu entdecken und die Schubladen quellen über von den steifen weißen Kragen, die Lagerfelds persönliches Markenzeichen sind – trotz aller barocken Pracht, mit der er sich umgibt: Im Grunde genommen ist der Couturier genügsam und – weil vollkommen frag- und klaglos – schrecklich diszipliniert. Irritierenderweise äußert sich seine unabhängige autarke Haltung in vorbehaltlosem Entgegenkommen.
Als Lagerfeld vor einem Sideboard zu stehen kommt, auf dem es Schalen voller Ringe gibt, und er sich nicht sofort entscheiden kann, welche Ringe er tragen will, kippt er gleich den ganzen Schaleninhalt in eine schlichte schwarze Tasche. Dazu plaudert er in einem Französisch, das noch immer mit einem fürchterlich deutschen Akzent behaftet ist, dabei aber so vollendet formuliert erscheint, dass man sich bei dem Gedanken ertappt, der wahre Lagerfeld müsse der französische Lagerfeld sein.
Dieser lieferte Rodolphe Marconi großzügig über 150 Stunden Film. Natürlich möchte man das ganze Material sehen. Zumal die knapp 90 Minuten, die der Filmemacher daraus zusammenschnitt, Lust auf mehr machen. Marconi gelingt nämlich das Unwahrscheinliche. Er vermittelt dem Zuschauer glaubhaft den Eindruck, ein alternativlos zutreffendes Bild des Modemachers zu sehen. Außerordentlich klug zeigt er Lagerfeld gerade nicht in besonders exemplarischen oder expliziten Situationen. Er beobachtete ihn in eher marginalen Momenten – gleichgültig ob beim Fotoshooting, einer Modenschau, dem Besuch einer Ballettaufführung in Monaco mit Gastgeberin Caroline oder beim Flug nach New York samt Einkauf bei Dior in Manhattan. In diesen Bildern, am Rande der Events und nur selten in einem klar deutbaren Kontext verortet, lenkt nichts von Lagerfeld ab. Ihm gilt die ausschließliche Konzentration.
Und dieser revanchiert sich mit einer bewundernswert kurzweiligen Performance, bei der man weder die Empfindung hat, er bemühe sich darum, Eindruck zu machen, noch, dass es ihm lästig sei, sich zu erklären. „Lagerfeld Confidentiel“ zeigt eine faszinierende, weil paradoxe Figur: den stets verfügbaren Selbstdarsteller, der von all der auf ihn gerichteten Aufmerksamkeit grundsätzlich unberührt bleibt. BRIGITTE WERNEBURG
„Lagerfeld Confidentiel“. Regie: Rodolphe Marconi. Frankreich 2007, 88 Min. 10. 2., 17 Uhr, International; 11. 2., 14.30 Uhr, Cinestar; 17. 2., 17.30 Uhr, Cubix